290 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
jeden Todesfall an Diphtherie, übertragbarer Genickstarre, Kindbettfieber,
Körnerkrankheit, Rückfallfieber, übertragbarer Ruhr, Scharlach, Typhus,
Milzbrand, Rotz, Tollwut, Fleisch-, Fisch= und Wurstvergiftung, Trichi-
nose die Anzeigepflicht bei der für den Aufenthaltsort des Erkrankten
oder den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde innerhalb 24 Stunden
nach erlangter Kenntnis gesetzlich eingeführt hat. Auch jeder Todes-
fall an Lungen= und Kehlkopftuberkulose ist anzuzeigen (§ 1). Zur
Anzeige ist verpflichtet: Der zugezogene Arzt, der Haushaltungsvor-
stand, jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten
beschäftigte Person, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der
Erkrankungs= oder Todesfall sich ereignet hat, der Leichenschauer, wobei
die Verpflichtung der vorgenannten Personen nur dann eintritt, wenn
ein früher genannter Verpflichteter nicht vorhanden ist (§ 2). Bei
Kranken= usw. Anstalten ist der Vorsteher, bei Schiffen usw. der
Schiffsführer zur Anzeige verpflichtet (§ 3). Die Anzeige kann
mündlich oder schriftlich auf Meldekarten, die von der Polizei un-
entgeltlich verabfolgt werden, erstattet werden. Die Bestimmungen
des RG. vom 30. Juni 1900 (§8§ 6—10 Schutzmaßregeln) über die
Ermittlung der Krankheit, ebenso wie die dort in den 9s 12 bis 19
und 21 aufgeführten Absperrungs= und Aussichtsmaßregeln sollen
bei den hier erwähnten Krankheiten mit einigen, den Krankheiten
angepaßten besonderen Modifikationen für die Dauer der Krankheits-
gefahr polizeilich angeordnet werden können (§8 6, 8).
Über das Verfahren und die Behörden wird in einem besonderen
Abschnitt dieses Gesetzes Bestimmung getroffen. Danach werden die in
dem Reichsgesetze, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank-
heiten (vom 30. Juni 1900) und in dem gegenwärtigen Gesetze
den Polizeibehörden überwiesenen Obliegenheiten, soweit dieses Gesetz
selbst nicht ein anderes bestimmt, von den Ortspolizeibehörden wahr-
genommen. Der Landrat ist befugt, die Amtsverrichtungen der Orts-
polizeibehörden für den einzelnen Fall einer übertragbaren Krankheit
zu übernehmen.. Gegen die Anordnungen der Polizeibehörde finden
die durch das Landesverwaltungsgesetz gegebenen Rechtsmittel statt.
Die Anfechtung der Anordnungen hat keine aufschiebende Wirkung
(§ 12). Beamtete Arzte im Sinne des RG. vom 30. Juni 1900
und des gegenwärtigen Gesetzes sind die Kreisärzte, die Kreisassistenz-
ärzte, soweit sie mit der Stellvertretung von Kreisärzten beauftragt
sind, sowie die mit der Wahrnehmung der kreisärztlichen Obliegenheiten
beauftragten Stadtärzte in Stadtkreisen, die Hafen und Quarantäne-
ärzte in Hafenorten, außerdem die als Kommissare der Regierungs-
präsidenten, der Oberpräsidenten oder des Ministers der Medizinal-
angelegenheiten an Ort und Stelle entsandten Medizinalbeamten (8 13).
Ist als Schutzmaßregel eine Desinfektion oder Vernichtung von
Gegenständen polizeilich angeordnet worden, so erfolgt die Festsetzung
der Entschädigungen durch die Ortspolizeibehörde. Der Anspruch auf
Entschädigung fällt jedoch weg, wenn der Antragsteller den Verlust
ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen
Unterhalts zu tragen vermag.