Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

310 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
schädlichkeitsattest nur bezüglich desjenigen Gutes erteilt werden, von 
welchem die minderwertige Parzelle abgetreten wurde. Für das andere 
Gut, aus dessen Realverbande die wertvollere Parzelle infolge des 
Tausches ausscheiden soll, bedarf es hierzu der Einwilligung der 
einzelnen Real-, Lehns= und Fideikommißberechtigten, es sei denn, 
daß der Wertunterschied durch Zahlung eines entsprechenden Kapitales 
ausgeglichen und die Verwendung des letztern in das Gut nachge- 
wiesen wird. 
Nach der neueren Gesetzgebung (Ges. vom 15. Juli 1890 (GS. 
S. 290)) kann auch bei einer unentgeltlichen Veräußerung ein 
Unschädlichkeitsattest erteilt werden, wenn die Abtretung zu öffentlichen 
Zwecken erfolgt, und der Wert des abzutrennenden Grundstücks, welches 
im Verhältnis zu dem Hauptgute nur von geringem Wert und Um- 
fange sein darf, von der durch die öffentliche Anlage herbeigeführten 
Wertserhöhung des Hauptgutes erreicht wird. Die schulden= und 
lastenfreie Abschreibung des unentgeltlich abgetretenen Trennstücks er- 
folgt, wenn die Auseinandersetzungsbehörde bescheinigt hat, daß mit der 
Ausführung der öffentlichen Anlage begonnen sei. 
Endlich bestimmt noch Art. 19 des AG. z. BGB. folgendes: „Die 
bestehenden Vorschriften über die Erteilung von Unschädlichkeitszeugnissen 
zum Zwecke der Befreiung eines Teiles eines Grundstücks von dessen 
Belastungen bleiben mit folgenden Maßgaben in Kraft: 
1. Bei der Entscheidung, ob der Grundstücksteil im Verhältnisse zum 
Hauptgrundstücke von geringem Wert und Umfang ist, wird, wenn die 
Belastungen, von denen der Teil befreit werden soll, noch auf anderen 
Grundstücken desselben Eigentümers haften, die Gesamtheit der be- 
lasteten Grundstücke als Hauptgrundstück behandelt. 
2. Das Unschädlichkeitsattest kann auf einzelne Belastungen be- 
schränkt werden.“ 
Die Voraussetzungen, unter denen auf Grund eines Unschädlichkeits- 
zeugnisses ein Grundstücksteil frei von den Lasten des Hauptgrundstücks 
abgeschrieben werden kann, sind in Art. 20 AG. z. GB. näher be- 
stimmt. 
Das Ergebnis der im vorstehenden skizzierten preußischen Agrar- 
gesetzgebung läßt sich im wesentlichen dahin zusammenfassen, daß die 
freie Verfügung über das Grundeigentum unbeschadet der Ansprüche der 
Realberechtigten zur vollen Durchführung gebracht ist, daß die lästigen 
Beschränkungen des Eigentums in Gestalt des Obereigentums, Vor- 
kaufs-, Näher-, Retraktrechts, des Lehnsnexus unentgeltlich aufgehoben 
worden sind, daß eine Ablösung der Abgaben und Dienste, eine Be- 
seitigung der Gemeinheiten und Dienstbarkeitsverhältnisse unter Ein- 
richtung der zuständigen Behörden und Einführung eines geordneten 
Verfahrens erfolgt ist. In Zusammenhang damit steht auch die Auf- 
hebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden. 
Mit der freien Verfügung über das Grundeigentum steht auch in 
Verbindung der in der Agrargesetzgebung zum Ausdruck gebrachte 
Grundsatz der Teilbarkeit. Die dieser Möglichkeit entgegenstehenden 
Hindernisse in Gestalt des bäuerlichen Erbrechts (Meierrechts, Höfe-
	        
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