318 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
erbung des ungeteilten landwirtschaftlichen Besitzes an einen der Erben
anzuordnen oder, soweit nicht Lehen und Stammgüter in Frage kamen,
Familienfideikommisse zu stiften. Auch schon zu Lebzeiten des Besitzers
suchte man dasselbe Ziel zu erreichen durch Gutsüberlassungsverträge,
Altenteils= oder Erbauseinandersetzungsverträge. Immerhin hafteten
diesen vertragsmäßigen Bestimmungen gewisse Übelstände an, da sie
nicht ausschlossen, daß sie dem Ubernehmer des Gutes schwere und
umerträgliche Lasten aufbürdeten. Um letzterem vorzubeugen, hat man
die gesetzliche Einführung und Regelung des sogen. Anerbenrechts
für notwendig gehalten. Bestimmend war allerdings vor allem, daß die
ganzen Staatseinrichtungen auf einem leistungsfähigen Grundbesitz
beruhen, da man in Deutschland etwa zwei Millionen Besitzer mit
Grundbesitz über acht Morgen, drei Millionen mit Grundbesitz unter
acht Morgen gezählt hat. In den letzten Jahrzehnten sind deshalb
in den verschiedenen Staaten Deutschlands Gesetze erlassen worden,
welche das Anerbenrecht einführten bezw. neu regelten. Ihre Geltung
ist auch bei dem Inkrafteten des BGB. unberührt geblieben (Art. 64
EG. z. BG.). -
Geltungsgebiet des Anerbenrechts. Für die Ansiedelungs-
güter und für die durch Vermittelung der Generalkommission und vom
Staate selbst begründeten Rentengüter im Geltungsbereich der Grund-
buchordnung vom 5. Mai 1872 mit Ausnahme des Bezirks des Ober-
landesgerichts zu Köln ist das Anerbenrecht eingeführt.
Eintragung und Löschung der Anerbenqualität im Grund-
buch. Jedes Anerbengut erhält ein eigenes Grundbuchblatt. Die An-
erbengutseigenschaft wird in der II. Abteilung eingetragen und zwar
nach Anhörung des Eigentümers auf Antrag der zuständigen Behörde,
d. i. der Generalkommmission, der Behörde, welche den Staat bei
Errichtung des Rentenguts vertreten hat, der Ansiedelungskommission
(§§ 2, 3). Die Aufhebung der Anerbengutseigenschaft erfolgt durch
Löschung im Grundbuche. Die Löschung geschieht auf Ersuchen der
Generalkommission, welche nach Anhörung des Eigentümers die Löschung
nur dann nachzusuchen hat, wenn das Gut die wirtschaftliche Selb-
ständigkeit verloren hat, oder der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen
Selbständigkeit überwiegende gemeinwirtschaftliche Interessen entgegen-
stehen (§ 5).
Verfügungsmacht des Eigentümers des Anerbenguts.
Das Recht des Eigentümers, über das Anerbengut unter Lebenden oder
von Todes wegen zu verfügen, bleibt unberührt, soweit das Gesetz vom
8. Juni 1896 keine Beschränkungen enthält (§ 6); jedoch kann er
ohne die Genehmigung der Generalkommission weder durch Verfügung
unter Lebenden noch von Todes wegen die Zerteilung des Anerben-
gutes oder die Abveräußerung von Teilen desselben vornehmen (8 7).
Inwieweit die letztgedachte Bestimmung bezüglich der Verfügung von
Todes wegen durch die Vorschrift des Art. 64 Abs. 2 EEG. z. BGB.,
nach der die Landesgesetze das Recht des Erblassers, über das An-
erbengut von Todes wegen zu verfügen, nicht beschränken, berührt wird,
ist streitig. Manche z. B. Fischer und Schröder, Preußische Bürger-