14 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates.
und Stimme im Herrenhause kann nur von preußischen Untertanen ausge-
übt werden, welche ·— abgesehen von den Prinzen des Königlichen Hauses
— dreißig Jahre alt sind, und die sich im Vollbesitz der bürgerlichen
Rechte befinden, ihren Wohnsitz innerhalb Preußens haben und nicht im
aktiven Dienste eines außerdeutschen Staates stehen. Das Recht der Mit-
gliedschaft erlischt bei den Präsentierten mit dem Verluste der Eigenschaft,
in welcher die Präsentation erfolgt ist, und geht verloren, wenn das Haus
durch einen vom Könige bestätigten Beschluß einem Mitgliede das An-
erkenntnis unverletzter Ehrenhaftigkeit eines der Würde des Hauses
entsprechenden Lebenswandels oder Verhaltens versagt. Unter Um-
ständen ist auch eine zeitweise Untersagung der Ausübung des Rechtes
auf Sitz und Stimme statthaft. Zu dieser Maßregel ist aber ebenfalls
die königliche Genehmigung erforderlich. Als alter Grundbesitz gelten die-
jenigen Rittergüter, welche zur Zeit der Präsentation seit mindestens
50 Jahren sich im Besitze derselben Familie befinden, als befestigter
solche Rittergüter, deren Vererbung in der männlichen Linie durch eine
besondere Erbordnung (Lehn, Majorat, Minorat, Seniorat, Fideikommiß,
fideikommissarische Substitution) gesichert ist. Die Präsentationswahl
für den alten und befestigten Grundbesitz erfolgt durch die nach Land-
schaftsbezirken gebildeten Verbände, während die Grafenverbände je
eine Provinz umfassen. Um an der Wahl in den Landschaftsbezirken
sowie in den Grafenverbänden teilnehmen zu dürfen, sind die zur
Mitgliedschaft des Herrenhauses notwendigen Eigenschaften mit der
Maßgabe erforderlich, daß ein Alter von 25 Jahren genügt. Mit-
glieder des Herrenhauses mit erblicher Berechtigung nehmen an den
Wahlen nicht teil. Wählbar sind nur Mitglieder des betreffenden
Verbandes oder Bezirkes. Außerdem ist es für die Gültigkeit der
Wahl erforderlich, daß an derselben mindestens zehn Wahlberechtigte
teilgenommen haben. Die Aufstellung und Fortführung der Ver-
zeichnisse der Wahlberechtigten, die Festsetzung des Ortes und Tages
der Wahl und die Ernennung des Wahlkommissars liegt dem Ober-
präsidenten ob. Für die Wahl selbst ist das Reglement vom 22. Juni 1842
über das Verfahren bei den ständischen Wahlen maßgebend, welches
u. a. vorschreibt, daß jede Wahl in einer besonderen Wahlhandlung
zu erfolgen hat, und daß bei Stimmengleichheit die Stimme des nach
den Lebensjahren ältesten Mitgliedes der Wahlversammlung, und wenn
sich dieses unter denen befindet, welche die gleiche Stimmenzahl er-
halten haben, die Stimme des nächstältesten, bei der Entscheidung nicht
persönlich beteiligten Wählers entscheidet.
Das Herrenhaus hat staatsrechtlich im allgemeinen dieselbe Stellung
und Bedeutung wie das Abgeordnetenhaus. Nur in folgenden Punkten
besteht ein Unterschied. 1. Die Mitglieder des Herrenhauses erhalten
keine Diäten. 2. Das Herrenhaus ist bei Anwesenheit von 60 seiner
Mitglieder beschlußfähig. 3. Finanzgesetzentwürfe und Staatshaus-
haltsetats werden zuerst dem Abgeordnetenhause vorgelegt. Letztere
können vom Herrenhause nur im ganzen angenommen oder abgelehnt
werden. Nicht ausgeschlossen ist spezielle Beratung einzelner Etats-
positionen, Verhandlung und Beschluß über Abänderungsvorschläge,