Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

330 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
b) welche der Stifter bei der Stiftung auf das Fideikommißgut 
gelegt hat, z. B. Renten oder Abfindungen an die Töchter der Familie. 
c) welche auf Grund einstimmigen Familienschlusses der Agnaten 
aufgenommen sind. 
In allen diesen Fällen haftet das Fideikommißobjekt dinglich und 
mit der Substanz. 
Revenüenschulden sind solche Schulden, die aus den Revenüen 
des Fideikommisses zu decken sind, d. h. also jeden Fideikommißbesitzer, 
soweit seine Revenüen in Fragen kommen, verpflichten. Diese Schulden 
können nur mit Genehmigung zweier Anwärter oder unter der Voraus- 
setzung entstehen, daß die Notwendigkeit der Schuldaufnahme festgestellt 
ist (§& 80 ff. II 4; § 15 Nr. 1, § 19 des Ges. vom 15. Februar 
1840). Die Fälle der Notwendigkeit sind besonders geregelt in den 
§8 81 f. II 4 (z. B. Wiederherstellung oder Aufbau der durch Unglücks- 
fälle, Alter zerstörten oder in Verfall geratenen Gebäude). Nur dann 
gilt jedoch die so ausgenommene Schuld als Fideikommißschuld, wenn 
das in den §§ 96, 101, 102 II 4 und § 4 des Ges. vom 15. Februar 
1840 geordnete Verfahren innegehalten ist, wobei der Fideikommiß- 
besitzer sich wegen der Schuldaufnahme an das Fideikommißgericht, 
d. i. das Oberlandesgericht zu wenden hat, welches den Antrag zu 
prüfen und die Verhandlungen mit den Anwärtern zu führen hat. 
Für alle übrigen persönlichen Schulden des Fideikommiß- 
besitzers haften nur die Revenüen seiner Besitzzeit. Dies gilt auch 
für persönliche Schulden des Fideikommißbesitzers, die er freiwillig 
übernommen hat (§ 226 II 4 ALR.). Auch als Deszendent und 
Erbe kann der jeweilige Fideikommißbesitzer für unzulässige Schulden 
seines Vorbesitzers, soweit das Fideikommiß und dessen Einkünfte in 
Frage kommen, nicht haftbar gemacht werden (§ 224 II 4 AL.). 
8 84. Die Erbfolge. 
1. Rechtliche Natur der Erbfolge. Die Nachfolge in deutsch- 
rechtliche Familienfideikommisse begründet weder eine Singular= noch 
eine Universalsukzession im römischrechtlichen Sinne, sondern eine eigen- 
tümlich geartete Nachfolge in einen Komplex von Rechten und Ver- 
bindlichkeiten; sie ist in gewisser Hinsicht eine Universalnachfolge, sobald 
nämlich ein ganzes Vermögen, und in gewisser Hinsicht eine Sonder- 
nachfolge, wenn ein einzelnes Vermögensstück den Gegenstand des 
Fideikommisses und damit der Sukzession bildet (ogl. RG. Bd. 15 
S. 368, Bd. 26 S. 135 (141|). Der Fideikommißsukzessor tritt ferner 
vermöge der Anordnung und Fürsorge des Stifters (e1 pacto et 
Providentia maiorum) in das Fideikommiß ein. Er erhält dasselbe 
aus der Hand des letzten Besitzers, sowie es dieser besessen hat. 
2. Die Art der Erbfolge. Diese bestimmt sich in erster Linie, 
sofern nicht Partikularrechte eine gesetzliche Sukzessionsordnung als 
allein maßgebend erklären und anderweite Bestimmungen des Stifters 
ausschließen, nach dem Willen und der Anordnung des Stifters, 
welch letztere in der Stiftungsurkunde in der Regel enthalten sein 
wird. Liegt eine derartige Anordnung vor, so ist sie schlechthin maß-
	        
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