Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 84. Die Erbfolge. 331 
gebend für die Dauer des Bestehens des Fideikommisses. Eine eigen- 
mächtige Abänderung des Besitzers selbst mit Zustimmung sämtlicher 
lebenden Agnaten ist für keinen der späteren Besitzer verbindlich. Dies 
solgt auch aus der Natur der Fideikommißfolge als einer successio 
eI pacto et providentia maiorum. 
Hat der Stifter keine Erbfolge festgesetzt, so wird nach preußischem 
Landrecht unter den alsdann vorhandenen Sutkzessionsberechtigten 
der Familie das zur Sukzession zur Zeit des Todes des letzten 
Fideikommißbesitzers nächstberechtigte Familienmitglied 
zur Nachfolge berufen (§ 203 II 4 ALR.). Für die Nächstberechtigung 
wird allerdings die Intestaterbfolge als entscheidend angesehen werden 
müssen, wobei jedoch zu beachten ist, daß das Fideikommiß nur an 
einen Erben (Individualsukzession) fallen darf. 
Trifft der Stifter über die Person des Nachfolgers nähere Be- 
stimmung, so pflegen solgende Anordnungen vorzukommen: 
Zunächst wird vielfach (im Zweifel sogar gesetzlich) die Erbfähigkeit 
beschränkt auf die Agnaten des Stifters, so daß infolgedessen Adoptierte, 
Legitimierte, Frauen usw. ausgeschlossen sind. Oft ist auch nach dem 
Stiftungsstatut Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, gewisse Ahnenzahl, 
bestimmte Konfession nötig. 
Die Art der Sukzessionsordnung kann sein: 
a) Primogenitur d. h. Parentelenordnung mit dem Vorzuge der 
erstgeborenen Linie (richtiger der Linie des Erstgeborenen). Erst nach 
Aussterben der Linie des Erstgeborenen sukzediert die Linie des Zweit- 
geborenen. 
b) Majorat, d. h. Gradualordnung mit dem Vorzug des Alters 
1 Gleichhei des Grades. Dabei ist Repräsentationsrecht ausge- 
ossen. 
c) Minorat, d. h. Gradualordnung mit der Maßgabe, daß unter 
mehreren gleich Nahen der jüngere den älteren ausschließt. 
) Seniorat resp. Juniorat, d. h. Vorzug des ältesten resp. 
jüngsten Familienmitgliedes. 
e) Sekundogenitur, d. h. Erbfolge der nachgeborenen Linie. 
Wenn die gesamte männliche Deszendenz eines Fideikommißstifters 
erlischt, und derselbe zum Besten seiner weiblichen Nachkommen nichts 
verordnet hat, so wird nach § 189 1I 4 ALR. das Fideikommiß in den 
Händen des letzten männlichen Deszendenten freies eigentümliches Ver- 
mögen (ALR. 88 139, 148 II 4; 1 12 § 55). 
Weibliche Sukzession. Gelten Frauen als erbfähig, so sind 
sie es im Zweifel nur subsidiär. Sie erben hinter allen männlichen 
Agnaten, sie werden selbst wieder nur von ihren Agnaten nach einer 
der Ordnungen a—e beerbt. Ferner gilt für sie der Satz: femina 
semel exclusa semper exclusa, d. h. es erbt die dem letzten Fidei- 
kommißbesitzer, nicht die dem Stifter nächststehende Tochter. Man 
drückt dies auch durch den Satz aus: Die Erbtochter geht der Regre- 
dienterbin vor. Letzteres greift natürlich dann nicht Platz, wenn der 
Stifter ausdrücklich bestimmt, daß beim Aussterben des Mannesstammes 
die männliche Deszendenz der ältesten Tochter des Stifters zur Nach-
	        
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