Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 5. Der Landtag. 17 
verflossen sind, ausgenommen den Fall, daß das Parlament vor Ablauf 
der Legislaturperiode aufgelöst wird. (Herrfurth, a. a. O. S. 117). Das 
Haus der Abgeordneten ist bei der Anwesenheit der Mehrzahl seiner 
Mitglieder (217) beschlußfähig (Vu. Art. 80). Die Abgeordneten 
erhalten Reisekosten und Diäten (15 M. für jeden Tag der Sitzungs- 
periode). Ein Verzicht hierauf ist unstatthaft (Art. 85 Vlu.). 
C. Gemeinsame Bestimmungen für beide Häuser des 
Landtages. 
Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie werden durch den 
König regelmäßig in dem Zeitraum von dem Anfang des Monats 
November jeden Jahres bis zur Mitte des folgenden Januar und 
außerdem, so oft s die Umstände erheischen, einberufen. Beide 
Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. 
Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt 
(Art. 77 VlU.). Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder 
und entscheidet. Sie regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin 
durch eine Geschäftsordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre 
Vizepräsidenten und Schriftführer. Beamte bedürfen keines Urlaubs 
zum Eintritt in die Kammer. Über die Kosten der Stellvertretung des 
in das Abgeordnetenhaus eingetretenen Beamten spricht sich die Ver- 
fassungsurkunde nicht aus. Entgegen der Rechtsprechung des preußischen 
Obertribunals, welche diese Kosten den Beamten, sowohl Staats= wie 
Kommunalbeamten, selbst auferlegte (OTr. Bd. 52 S. 320, Striet- 
horst Bd. 58 S. 228), ist durch Beschluß des Staats-Min. vom 
24. Oktober 1869 im Verwaltungswege angeordnet, daß die Stellver- 
tretungskosten für unmittelbare Staatsbeamte bis auf weiteres auf 
den Staat zu übernehmen sind (vogl. Reskr. vom 21. November 
1869, VMBl. S. 276). Vorstehendes gilt allerdings nur für Landes- 
beamte. Bezüglich der Reichsbeamten ist § 14 Abs. 2 des Reichs- 
beamtengesetzes vom 31. März 1873 (REl. S. 61) maßgebend. 
Danach findet in solchen Abwesenheitsfällen, in denen die Beamten 
eines Urlaubs nicht bedürfen, ein Abzug vom Gehalte nicht statt. Die 
Stellvertretungskosten fallen der Reichskasse zur Last. 
Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich (Art. 79 Vll.). Die 
Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie 
stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und 
Instruktionen nicht gebunden (VuU. Art. 83). Sie können für ihre 
Abstimmungen in der Kammer niemals, für ihre darin ausgesprochenen 
Meinungen nur innerhalb der Kammer auf Grund der Geschäfts- 
ordnung zur Rechenschaft gezogen worden. Ergänzend kommt jetzt noch 
in Betracht § 11 RSt G., wo bestimmt ist: Kein Mitglied eines Land- 
tages oder einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats darf 
außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen 
seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes 
getanenen Außerung zur Verantwortung gezogen werden. Man ist 
darüber einig, daß der Ausdruck „Außerungen“ keineswegs auf münd- 
liche Außerungen zu beschränken ist, sondern es fallen auch schriftliche 
und gedruckte Äußerungen, welche der Beruf eines Abgeordneten 
Altmann, Handbuch der Bersaffung II. 2 
 
	        
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