458 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
Erlaubnis der Obrigkeit einholen muß, welche darauf zu achten hat,
daß die Bauten nicht zum Schaden und zur Unsicherheit des gemeinen
Wesens oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze
gereichen (§ 66 1. c.) In allen Fällen, wo sich findet, daß ein
ohne vorhergegangene Anzeige unternommener Bau schädlich oder
gefährlich für das Publikum sei, muß derselbe nach der Anweisung
der Obrigkeit geändert werden (§ 71 I 8 ALR.). Die gerichtliche
Praxis hat die Anwendung der vorerwähnten Vorschriften nur dann
für zulässig erachtet, in denen „es sich um die Verhütung eines positiv
häßlichen Zustandes handelt, der jedes für ästhetische Gestaltung offene
Auge verletzt.“ In den Gebieten des gemeinen Rechts und des
Rhein. Bürgerl. Gesetzbuchs haben die erwähnten landrechtlichen
Sondervorschriften keine Geltung.
Was nach ALR. allerdings zunächst nur für die Städte galt,
ist allgemein im Wege der Polizeiverordnung auch auf das platte
Land ausgedehnt worden. Die Polizeibehörden leiteten aus der ihnen
zustehenden Bauerlaubnis die weitere Befugnis her, auch in einzelnen
Fällen Fluchtlinien und Bebauungspläne vorzuschreiben und zwar aus
der Erwägung, daß im Sinne des Landrechts eine solche Verunstaltung
unzweifelhaft dann eintreten würde, wenn die Bauten ohne Rücksicht
auf die Lage und die Breite schon bestehender oder künftig anzulegen-
der Straßen beliebig zugelassen werden sollten. Auf derselben recht-
lichen Basis beruht die Befugnis der Polizeibehörden zur Ausstellung
von Bebauungsplänen (OVG. E. vom 25. September 1891 Bd. XX
S. 375 (378) in v. Kamptz Bd. 4 S. 504). Dieses Recht der
Polizeibehörden wurde auch in den meisten Baupolizeiverordnungen
anerkannt. Zwar pflegte vor Festsetzung der Fluchtlinien die Polizei-
behörde in der Regel den Gemeindevorstand zu hören, aber notwendig
war dies nicht und auch für die definitive Feststellung der Fluchtlinie
belanglos.
War bisher die Polizeibehörde nur befugt, die grobe Verunstal-
tung der Straßen und Plätze durch Bauausführungen zu verhindern,
so liegt jetzt der Entwurf eines Gesetzes gegen die Verunstaltung von
Ortschaften und landwirtschaftlich hervorragenden Gegenden dem Hause
der Abgeordneten vor, welcher bereits die Genehmigung des Herren-
hauses in der Session 1905/06 gefunden hat, inhalts dessen die
Polizei gegen jede Verunstaltung schlechthin einzuschreiten befugt
ist. Es soll für das polizeiliche Einschreiten genügen, wenn die
beabsichtigte Bauausführung der durch die Anlage und Bebauung
gegebenen Eigenart der Straßen und Plätze auffallend widerspricht
und daher unschön wirken würde. Der Unterschied zwischen der
Vorschrift des Entwurfes und des Allgemeinen Landrechts ist kein
grundsätzlicher, sondern nur ein solcher dem Grade nach. Die Hand-
habung der strengeren Bestimmung ist in die Hand der Ortspolizei-
behörde gelegt worden, weil die hier gestellte Aufgabe dem Wesen und
und dem Wirkungskreise der Polizei angehört. Um klarzustellen, daß
auch Verunstaltungen zu verbieten sind, welche nicht gerade von den
nach Straßen und Plätzen hinliegenden Häusern oder Häuserseiten,