462 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
welche hinaus die Bebauung ausgeschlossen ist (§ 1 des Ges.) Ander-
seits geht aus der die Baufreiheit grundsätzlich aussprechenden land-
rechtlichen Bestimmung (§ 65 1 8 ALR.) hervor, daß sie gleichzeitig
die Grenzen sind, bis zu welchen hin gebaut werden darf.
(OVG. E. vom 25. September 1891 Bd. 21, 375 (378] in v. Kamp#z
Bd. 4 S. 503). Dem Arlieger ist nach dieser Begriffsbestimmung nicht
verwehrt ein Zurückweichen hinter die Baufluchtlinie mit seinem Baue.
In der Regel fällt die Straßenfluchtlinie mit der Baufluchtlinie
zusammen, in dem sie beide die Grenzen angeben, über welche hinaus
die Bebauung ausgeschlossen ist. Aber notwendig ist dies nicht.1½)
Während die Bedeutung der Straßenfluchtlinie darin besteht,
zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen
vorbehalten werden sollen und deshalb nicht bebaubar find (OVG. E.
Bd. 40 S. 363), gibt die Baufluchtlinie die Grenzen der Be-
bauung an, sofern eine Straßenfluchtlinienfestsetzung erfolgt ist. Es
ist sehr wohl zulässig, unter Einziehung der Vorgärten die Straßen-
fluchtlinie bis zur Baufluchtlinie vorzuschieben. Wenn aber nichts
anderes festgesetzt ist, bildet die Straßenfluchtlinie zugleich die Bau-
fluchtlinie.
Der Bebauungsplan ist „nichts anderes, als die Feststellung von
Fluchtlinien im voraus nach einem einheitlichen Plane, welcher die
Richtung der Straßen, die Anlegung öffentlicher Plätze usw. in Obacht
nimmt; er gibt nichts anderes, als eine geordnete Gruppierung der-
jenigen Linien, welche bei der Bebauung der einzelnen Grundstücke,
in dem von dem Plane umfaßten Gebiete von der Polizeibehörde auch
dann, wenn ein solcher Bebauungsplan nicht vorhanden wäre, in den
speziellen Baufällen anzuweisen sein würden“ (Motive z. Entw. des
Ges. vom 2. Juli 1875 S. 10).
1) Eine von der Straßensluchtlinie (in der Regel höchstens 3 m) zurückweichende
Baufluchtlinie wird zu dem Zweck ausgenommen, um damit die rechtliche Grund-
lage für die Einrichtung von Vorgärten zwischen der Straße und den Häusern
zu geben. Die Vorgärten sind nicht Teile der öffentlichen Straßen. Sie stehen im
Eigentum Privater, diese haben aber über sie nicht das Maß freier Verfügung wie
über ihre sonstigen Grundstücke. Durch die Festsetzung, daß die Baufluchtlinien
hinter den Straßenfluchtlinien zum Zwecke des Entstehens von Vorgärten gezogen
werden, wird den so entstehenden Vorgärten eine gewisse Bestimmung gegeben. Sie
sollen vornehmlich als Gärten die Salubrität der Wohnplätze durch Zuführung von
Licht und Luft wie durch Pflanzenwuchs fördern und zugleich Verunstaltungen der
Straßen ausschließen. Die so aus polizeilichen Gesichtspunkten geschaffenen und
nicht nur privaten, sondern auch öffentlichen Interessen dienenden Vorgärten sind
der freien Verfügung ihrer Eigentümer durch ihre Bestimmung entzogen. Wie ihr
Bestand überhaupt, so untersteht auch ihre Einrichtung und Verwendung insoweit
der polizeilichen Obhut, als es sich um die Erhaltung ihrer Bestimmung handelt.
Aus diesem Grunde kann daher die Benutzung der Vorgärten zu Schankzwecken
versagt werden. (Vgl. E. OG.) von 23. Mai 1894 P#Bl. XV 583 (584) in
v. Kamptz Bd. 4 S. 511. Der Polizei steht nicht nur die Berechtigung zu, von
den Vorgärten die unstatthaften, d. h. soweit sie mit dem Zwecke derselben und
mit dem Straßenverkehr unvereinbar sind, sondern sie ist befugt, jeden Gewerbe-
betrieb in den Vorgärten zu untersagen. Vgl. O#G. E. vom 26. September
1889 Bd. 18 371 (372) in v. Kamptz Bd. 4 S. 513.