§ 123. Straßenanlegungsgesetz. 2. Inhalt des Gesetzes. 465
Offenlegung und Feststellung des Fluchtlinienplans. Nach
erfolgter Zustimmung der Ortspolizeibehörde hat der Gemeindevorstand,
den Plan zu jedermanns Einsicht offen zu legen. Wie letzteres ge-
schehen soll, wird in der ortsüblichen Art bekannt gegeben mit dem
Bemerken, daß Einwendungen gegen den Plan innerhalb einer bestimmt
zu bezeichnenden präklusivischen Frist von vier Wochen bei dem Ge-
meindevorstande anzubringen sind. Handelt es sich um Festsetzungen,
welche nur einzelne Grundstücke betreffen, so genügt statt der Offen-
legung und Bekanntmachung eine Mitteilung an die beteiligten Grund-
eigentümer (§ 7).
Über die erhobenen Einwendungen, soweit dieselben nicht durch Verhand-
lungen zwischen dem Gemeindevorstande und den Beschwerdeführern sich
erledigt haben, hat der Kreisausschuß, in Stadtkreisen einschließlich der
Städte des Landkreises von mehr als 10 000 Einwohnern der Bezirks-
ausschuß, in Berlin der Minister der öffentlichen Arbeiten zu entscheiden.
Sind Einwendungen nicht erhoben oder ist über dieselben endgültig
beschlossen, so hat der Gemeindevorstand den Plan förmlich festzustellen,
zu jedermanns Einsicht offen zu legen und, wie dies geschehen soll,
öffentlich bekannt zu machen (§ 8). Sind bei Festsetzung von Flucht-
linien mehrere Ortschaften beteiligt, so hat eine Verhandlung darüber
zwischen den betreffenden Gemeindevorständen stattzufinden. Über die
Punkte, hinsichtlich deren eine Einigung nicht zu erzielen ist, beschließt
der Kreisausschuß bezw. Bezirksausschuß bezw. der Minister der öffent-
lichen Arbeiten (S§ 9). Jede sowohl vor als nach Erlaß des Gesetzes
vom 2. Juli 1875 getroffene Festsetzung von Fluchtlinien kann nur
nach Maßgabe des Gesetzes vom 2. Juli 1875 aufgehoben oder ab-
geändert werden (§ 10). Gegen die auf Grund des Gesetzes erfolgte
Festsetzung von Fluchtlinien ist der Rechtsweg ausgeschlossen (E. des
Kompetenzgerichtshofes vom 9. Januar 1876, MBl. S. 78 und vom
11. Februar 1865, JMl. S. 106). Eine Anfechtung der Rechts-
gültigkeit der erfolgten Festsetzung der Fluchtlinien kann im Ver-
waltungsstreitverfahren nur darauf gestützt werden, daß das Verfahren der
Feststellung an wesentlichen Mängeln leidet, oder die Fluchtlinienfestsetzung
gegen die Gesetze verstößt, aber nicht wegen eines Irrtums in den Motiven
der Behörden, die dabei mitgewirkt haben (OVG. E. Bd. 25 S. 387
in v. Kamptz Bd. 4 S. 519). Zur Festsetzung neuer oder Abänderung
schon bestehender Bebauungspläne in den Städten Berlin, Potsdam,
Charlottenburg und deren nächster Umgebung bedarf es königlicher
Genehmigung, auch zur Aufstellung eines öffentlichen Denkmals, letzteres
nach dem ME. vom 17. Juni 1897 (MBl. S. 107 § 10 Abs. 2).
Die Wirkungen der Offenlegung des förmlich festgestellten
Plans bestehen darin, daß einerseits der Grundeigentümer Neubauten,
Um= und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus nicht mehr ausführen
darf, da hierzu die Genehmigung versagt werden kann, anderseits die
Gemeinde die Befugnis erlangt, die durch die festgesetzten Straßen=
sluchtlinien für Straßen und Plätze bestimmte Grundfläche dem Eigen-
tümer zu entziehen und zwar ohne besondere Verleihung des Ent-
eignungsrechtes durch königliche Verordnung (§ 11).
#Altmann, Handbuch der Berfaffung 1I. 30