Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

466 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Um ein unregelmäßiges Bebauen unfertiger Straßen zu verhüten, 
kann ortsstatutarisch ein Bauverbot dahin erlassen werden, daß an 
Straßen oder Straßenteilen, welche noch nicht gemäß der baupolizei- 
lichen Bestimmungen des Orts für den öffentlichen Verkehr und den 
Anbau fertig gestellt sind, Wohngebäude, die nach diesen Straßen einen 
Ausgang haben, nicht errichtet werden dürfen (§ 12). 
Zu den im vorstehenden gedachten Straßen gehören die projektierten 
und in der Entstehung begriffenen Straßen (OVG. E. Bd. 40 
S. 363). Projektierte Straßen sind solche Straßen, betreffs deren — 
sei es nun durch die Aufstellung von Bebauungsplänen oder durch die 
Absteckung von Fluchtlinien oder durch sonstige in den tatsächlichen 
Verhältnissen des einzelnen Falles begründete, klar sprechende Umstände 
— zum Ausdruck gelangt ist, daß sie für eine nähere oder fernere Zu- 
kunft überhaupt als Straßen in Aussicht genommen sind (OVG. vom 
2. L.ober 1879 E. Bd. 5 S. 385 (389] in v. Kamptz. BVd. 4 
S. 569). 
Das Bauverbot des § 12 greift auch bei solchen Straßen Platz, für 
die noch keine Fluchtlinien festgesetzt sind (OV. E. vom 5. Juni 1899 
Bd. 36 S. 412 in v. Kamptz Erg. Bd. 1 S. 464). 
Das Bauverbot des § 12 greift nicht Platz bei Anbauten an einer 
Privatstraße im Rechtssinne, welche allerdings nur da vorhanden ist, 
wo die Straße der Verfügungsgewalt des Eigentümers unterliegt und 
kraft derselben dem öffentlichen Verkehre entweder tatsächlich entzogen 
ist oder doch jederzeit entzogen werden kann (OVG. E. v. 1. April 
1890 Bd. 19 S. 367, 368 in v. Kamptz Bd. 4 S. 501). Handelt 
es sich dagegen um eine derartige Privatstraße, deren Umwandlung in 
eine öffentliche, städtische Straße vorauszusehen ist, so gehört sie zu 
den projektierten Straßen, für welche das Bauverbot in § 12 des Ge- 
setzes gegeben ist (OVG. E. vom 5. Juni 1899 Bd. 36 S. 412 in 
v. Kamptz Bd. 4 S. 464). 
Das Bauverbot des § 12 darf nicht auf bestehende ältere, sogenannte 
historische Straßen ausgedehnt werden. Als „historische“ Straßen 
sind solche „öffentliche“ Straßen (Privatstraßen scheiden überhaupt aus) 
zu verstehen, welche beim Erlaß des Straßenanlegungsgesetzes von den 
Kommunen längst ohne Widerspruch zur Pflasterung, Beleuchtung und 
zu sonstigen kommunalen Verpflichtungen als öffentliche Straßen über- 
nommen waren und schon in jenem Zeitpunkte sich als den städtischen 
Straßen ebenbürtige Glieder des gesamten Straßennetzes der Stadt 
darstellten. Ob diese Momente sämtlich oder doch in ihren Haupt- 
punkten bei einer Straße zutreffen, ob dieselbe nach der üblich ge- 
wordenen Ausdrucksweise als eine „historische“ anzusehen ist, muß na 
der besonderen Lage jedes einzelnen Falles beurteilt werden (vgl. O. 
E. vom 20. Januar 1888 Bd. 9 S. 193 in v. Kamptz Bd. 4 
S. 555). Von Wichtigkeit für die Begriffsfeststellung der historischen 
Straße ist auch der besonders festzustellende Umstand, daß die Straße 
nach den zur Zeit ihrer Entstehung maßgebenden allgemeinen oder 
sonderen Polizeivorschriften hergestellt ist. Durch etwaige spätere 
andere und schärfere polizeiliche Vorschriften wird die Straße dadurch
	        
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