§ 123. Straßenanlegungsgesetz. 2. Inhalt des Gesetzes. 467
nicht etwa wieder eine „unfertige“ (OVG. E. Bd. 34 S. 416 in
v. Kamptz Erg. Bd. 1 S. 465).
Unter „Straßenteil“ im Sinne des § 12 ist ein Teil zu verstehen,
der sich äußerlich oder nach seiner geschichtlichen Entwicklung als be-
sonderer Abschnitt einer Straße darstellt. Bei sehr breiten Straßen,
die einen doppelten Fahrdamm erhalten sollen, wird man die eine
Seite der Straße für sich als einen selbständigen Straßenteil ansehen
können (vgl. R. Friedrichs, Straßenanlegungsgesetz Bem. 6 zu § 12).
Wohngebäude im Sinne des § 12 müssen tatsächlich zum Wohnen
bestimmte und benutzte Räume sein; es entsprechen daher diesen An-
forderungen nicht Schulen, Fabriken, Werkstätten, Restaurants, Wach-
gebäude u. dergl. (OVG. E. Bd. 8 S. 317 v. Kamptz Bd. 4 S. 565).
Als Errichtung eines Wohnhauses gilt die Umwandlung eines bis-
her zu anderen Zwecken benutzten Bauwerks (OVG. E. vom 3. November
1884 in v. Kamptz Bd. 4 S. 566). Dem Verbote unterliegt auch
der Anbau an ein älteres Wohngebäude, selbst wenn solcher nicht mit
einem neuen eigenen Ausgange nach der noch nicht fertiggestellten
Straße versehen, vielmehr lediglich auf die Mitbenutzung eines der-
artigen Ausganges aus dem älteren Gebäudeteil angewiesen werden
soll (OV G. E. vom 28. September 1882 in v. Kamptz Bd. 4 S. 566).
Durch das Verbot der Errichtung von Wohngebäuden an noch nicht
fertig gestellten Straßen tritt eine Beschränkung der Baufreiheit ein,
bei welcher naturgemäß die Frage entsteht, ob der hierdurch Beein-
trächtigte einen Entschädigungsanspruch hat. Das Gesetz ver-
neint in § 13 die Frage schlechthin. Es tritt der Frage nur insoweit
näher, als es sich um einen etwaigen Entschädigungsanspruch wegen
Entziehung oder Beschränkung des von der Festsetzung neuer Flucht-
linien betroffenen Grundeigentums handelt. Hierbei unterscheidet das
Gesetz zwei Fälle, zwischen der Entschädigung für die Entziehung
des zu der neuen Straßenanlage bestimmten Grundeigentums und der
Entschädigung für die Beschränkung des Grundeigentums, die da-
durch eintritt, „daß infolge der Festsetzung einer von der Straßen-
fluchtlinie verschiedenen Baufluchtlinie der im Eigentume der angrenzen-
den Eigentümer verbleibende Zwischenstreifen bereits bei Feststellung
des Fluchtlinienplans bebaut war“ (ogl. v. Brauchitsch Bd. 4. 14. Aufl.
Anm. 51 zu § 13 S. 408). Hiernach gewährt § 13 eine Entschädigung,
für deren Feststellung und Bemessung, soweit bezüglich der letzteren
nicht das Straßenanlegungsgesetz besondere Vorschriften enthält, die
Bestimmungen des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 analoge
Anwendung finden (§ 14),
a) wenn die zu Straßen und Plätzen bestimmten Grundflächen auf
Verlangen der Gemeinde für den öffentlichen Verkehr abgetreten werden;
65) wenn die Straßen= oder Baufluchtlinie vorhandene Gebäude trifft,
und das Grundstück bis zur neuen Fluchtlinie von Gebäuden frei-
gelegt wird;
y) wenn die Straßenfluchtlinie einer neu anzulegenden Straße ein
unbebautes, aber zur Bebauung geeignetes Grundstück trifft, welches
zur Zeit der Feststellung dieser Fluchtlinie an einer bereits bestehenden
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