Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§5 124. Gründung neuer Anfiedlungen u. Kolonien. 1. Gesetzl. Grundlagen. 475 
recht gegenüber der Art und Weise, wie die Straßenanlage ausgeführt 
worden, steht dem Pflichtigen nicht zu (OVG. E. vom 21. Februar 
1889 Bd. 33 in v. Kamptz Bd. 1 S. 106). 
Aufrechnung eines privatrechtlichen Anspruchs. Gegen- 
über einer Abgabenforderung der Gemeindebehörde ist die Aufrech- 
nung mit einem dem Herangezogenen gegen die Gemeinde zustehenden 
privatrechtlichen Anspruch ausgeschlossen (OVG. E. vom 5. April 1900 
Bd. 37 S. 44 in v. Kamptz Erg. Bd. 1 S. 111). 
Einwand der Tilgung. Bereits vor der Entstehung der Ver- 
pflichtung zur Leistung eines Anliegerbeitrages kann über die Tilgung 
oder den Erlaß eine im Verwaltungsstreitverfahren der Heranziehung 
gegenüber mit Erfolg geltend zu machende Vereinbarung getroffen 
werden (OVG. E. vom 21. Februar 1898 Bd. 33 S. 103 in 
v. Kamptz Erg. Bd. 1 S. 111). Wenn dagegen eine Gemeindebehörde 
erklärt hat, für eine Straße Anliegerbeiträge nicht erheben zu wollen, 
weil sie irrtümlich glaubte, dazu nicht berechtigt zu sein, so liegt darin 
kein der Erhebung der Beiträge entgegenstehender Erlaß oder Verzicht 
(OVG. E. vom 24. Januar 1901 Bd. 38 S. 145 in v. Kamnptz 
Erg. Bd. 1 S. 112 Anm.). 
Dritter Titel. 
Gründung neuer Anstedlungen und Kolonien. 
§ 124. 1. Gesetzliche Grundlagen. 2. Ansiedlungen. 
3. Kolonien. 
1. Gesetzliche Grundlagen. Als solche kommen in Betracht 
das Gesetz, betr. die Gründung neuer Ansiedlungen in den Provinzen 
Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und 
Westfalen vom 25. August 1876 (GS. S. 405), ergänzt und abge- 
ändert durch Gesetz vom 10. August 1904 (GS. S. 227ff.). 
Vorstehende Gesetze bezweckten, Vereinfachung und Erleichterungen 
abgesehen von der Abgabenregulierung bei Dismembrationen und der 
Gründung neuer Ansiedlungen einzuführen. Letztere hat man dadurch 
zu erreichen gesucht, daß man die bisher noch vorhandenen Be- 
schränkungen persönlicher Art fallen gelassen hat. 
2. Zu einer neuen Ansiedlung, d. h. zur Errichtung eines Wohn- 
hauses oder zur Einrichtung eines schon vorhandenen Gebäudes zum 
Wohnhause außerhalb einer im Zusammenhange gebauten Ortschaft, ist 
Genehmigung, welche vom Kreisausschuß, in Stadtkreisen von der Orts- 
polizeibehörde zu erteilen ist, erforderlich, vor deren Aushändigung die 
polizeiliche Bauerlaubnis nicht erteilt werden darf. Einer Ansiedlungs- 
genehmigung bedarf es jedoch nicht für Wohnhäuser, welche in den 
Grenzen eines nach dem Straßenanlegungsgesetze vom 2. Juli 1875 
festgestellten Bebauungsplanes oder welche auf einem bereits bebauten 
Grundstücke im Zusammenhange mit bewohnten Gebäuden errichtet oder 
eingerichtet werden sollen (§ 12). Die Ansiedlungsgenehmigung ist 
ferner erforderlich, wenn infolge oder zum Zwecke der Umwandlung eines 
 
	        
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