Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

9 196. Zuläsfigkeit der Enteignung. 483 
sondern diesem wird vom Staat das Alleineigentum an den be- 
treffenden Grundstücken verliehen, woraus sich als notwendige logische 
Folge ergibt, daß das Eigentum des bisherigen Eigentümers daran 
Sfte und untergeht. Demgemäß erlöschen mit der Verleihung des 
Eigentums an den Unternehmer alle bisher an diesen Grundstücken 
begründeten sonstigen privaten Rechte; denn diese ziehen ihre Kraft 
aus dem Rechte der bisherigen Eigentümer und müssen daher natur- 
notwendig untergehen, wenn ein völlig neues, ursprüngliches Eigentum 
an den Grundstücken entsteht. Bezüglich der Entschädigung wird durch 
das Gesetz die Entschädigungspflicht dem Unternehmer, zu dessen Gunsten 
die Enteignung erfolgt, auferlege Ist dieser Unternehmer der Staat 
selbst, gibt er also das Eigentum an den erforderten Grundstücken sich 
selbst oder nimmt er es sich wie man auch sagen kann, so folgt 
unmittelbar aus dem Gesetz, daß er ebensogut wie jeder andere Unter- 
nehmer denjenigen, die durch die Enteignung eine Vermögenseinbuße 
erlitten haben, insbesondere also dem bisherigen Eigentümer, Ent- 
schädigung für ihren Verlust zu leisten hat. Aus rechtspolitischen 
Gründen ist allgemein angeordnet, daß die Entschädigung nicht nur 
vor der Enteignung festgesetzt, sondern auch vorher gezahlt oder hinter- 
legt werden muß. 
8 126. Zuläffigkeit der Enteignung. 
1. Voraussetzungen. Bezüglich der Zulässigkeit der Enteignung 
schließt sich das Gesetz an den in Preußen in Art. 9 der preußischen 
VU. niedergelegten grundsätzlichen Standpunkt und an die damit in 
Einklang stehenden landrechtlichen Bestimmungen (8§ 74, 75 Einleitung; 
§§ 29—31, ALR. 1 8; § 4 ALR. I 11) an, indem es wiederholt, 
daß das Grundeigentum einschließlich der dinglichen Rechte (§ 6) nur 
aus den Gründen des öffentlichen Wohles für ein Unternehmen, dessen 
Ausführung die Ausübung des Enteignungerechts erfordert, gegen voll- 
ständige Entschädigung entzogen und beschränkt werden kann (8 1). 
Die Entziehung und dauernde Beschränkung des Grundeigentums er- 
folgt au Grund königlicher Verordnung, welche als Staatsakt der 
ministeriellen Gegenzeichnung bedarf, einen gesetzlich bestimmten Inhalt 
haben muß, indem sie den Unternehmer und das Unternehmen, zu 
dem das Grundeigentum in Anspruch genommen wird, bezeichnen muß, 
und durch das Amtsblatt derjenigen Regierung bekannt zu machen ist, 
in deren Bezirk das Unternehmen ausgeführt werden soll (§ 2). Eine 
Abtretung des einem Unternehmer verliehenen Rechts durch diesen an 
einen anderen ist infolge der höchst persönlichen Natur dieses Rechts 
uRgulässig (OTr. Bd. 63 S. 94 u. RG. E. in Zivils. Bd. 9 S. 276). 
Nur ausnahmsweise bedarf es nicht der königlichen Verordnung, wenn 
es sich um Enteignung zwecks Geradelegung oder Erweiterung öffentlicher 
Wege, sowie um die Umwandlung von Privatwegen in öffentliche 
Wege handelt, vorausgesetzt, daß das dafür in Anspruch genommene 
Grundeigentum außerhalb der Städte und Dörfer belegen und nicht 
mit Gebäuden besetzt ist. In diesem Falle wird die Zulässigkeit der 
Enteignung durch einen den Unternehmer und das Unternehmen be- 
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