Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

8 142. Bedeutung der Union rc. 8 148. Die Verfassungsurkunde ꝛc. 525 
custodiam vom 11. April 1827, staatlich genehmigt durch landes- 
herrliche Erlasse vom 9. Oktober 1827 (Nassau), 12. Oktober 1827 
(Großherzogtum Hessen), 16. Oktober 1827 (Baden), 24. Oktober 
1827 (Württemberg), vom 31. August 1829 (Kurhessen).) 
8§8 142. Bedentung der Union in Preußen bezüglich der 
Stellung des Staats zur Kirche. 
Im Jahre 1817 vollzog sich die Vereinigung (Union) der beiden 
erangelischen Konfessionen (der Lutheraner und Reformierten) zu einer 
einheitlichen evangelischen Landeskirche. Damals schuf man auch wieder 
einen besonderen Behördenorganismus für die Wahrnehmung der kirch- 
lichen Angelegenheiten außerhalb der allgemeinen Landesverwaltung. 
Schon 1817 wurden unter dem Vorsitz der Oberpräsidenten für die 
einzelnen Provinzen Konsistorien begründet zur Ausübung der Kirchen- 
hoheit über die katholische Kirche, der inneren Verwaltung der evange- 
lischen Kirche und für das höhere Schulwesen. 1825 ging die Auf- 
sicht über die katholische Kirche auf den Oberpräsidenten über, 1845 
wurde die Schulverwaltung losgelöst. Die Zuständigkeit zwischen den 
Konsistorien und den Regierungen wurde in der Weise voneinander 
abgegrenzt, daß den ersteren nur die innere kirchliche Verwaltung (jura 
in Sacra), letzteren nur Staatsaufsichtsrechte (iura circa sacra) blieben. 
Die oberste Verwaltung aller kirchlichen Angelegenheiten, auch soweit 
sie die staatlichen Interessen berührten, ruhte in den Händen des preußischen 
Kultusministers. 
§ 148. Die Verfafsungsurkunde für den preußischen Staat 
vom 31. Jannar 1850 und ihre Stellung zu den Religions- 
gesellschaften. 
Während das preuß. ALR. II 11 §§ 27, 28 noch den Grundsatz 
aufstellte, daß sowohl öffentlich aufsgenommene als bloß geduldete 
Religions= und Kirchengesellschaften sich in allen Angelegenheiten, die 
sie mit anderen bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den 
Gesetzen des Staates richten müssen, wobei auch die Oberen und die 
einzelnen Mitglieder in allen Vorfällen des bürgerlichen Lebens den 
Staatsgesetzen unterworfen find, geht im Anschluß an die freiheitlichen 
Bewegungen im Jahre 1848 die preußische Verfassungsurkunde in den 
1) Die rechtliche Natur der Zirkumskriptionsbullen ist streitig. In der Regel 
werden sie den Konkordaten gleichgestellt, wenn auch staatlicherseits die Ubernahme von 
vertragsmäßigen Verpflichtungen vielfach ausdrücklich verneint worden ist, so durch 
das Preuß. Reg. Publikandum vom 11. August 1821. (Bgl. B. Hübler, Kirchl. 
Rechtsquellen § 5). · 
Was die rechtliche Natur der Konkordate anlangt, so sind auch hierüber verschiedene 
Ansichten vertreten, einmal die Privilegientheorie, die von der Superiorität 
der Kirche über den Staat ausgeht und die in den in den Konkordaten enthaltenen 
Zugeständnissen des Papstes widerrufliche Gnadenerweise sieht, während die Zusagen 
der Landesregierung den Staat vertragsmäßig binden, ferner die Legaltheorie, 
die den Konkordaten den Charakter von Gesetzen zuweist und staatliche Publikation 
zu ihrer Rechtsgültigkeit verlangt, und endlich die Vertragstheorie, welche in 
ihnen zweiseitige Verträge findet, bei denen Staat und Kirche als koordinierte Ver- 
tragsparteien in Betracht kommen (vogl. B. Hübler a. a. O. 8§ 4).
	        
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