Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 146. Die Entwicklung der evangelischen Kirche in Preußen 2c. 529 
1887, betreffend Abänderungen der kirchenpolitischen Gesetze, ferner 
wurde durch Reichsgesetz vom 6. Mai 1890 (RGBl. S. 65) das Ge- 
setz vom 4. Mai 1874 (Rl. S. 43), betreffend die Verhinderung 
der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, aufgehoben; gleichzeitig 
wurden die auf Grund des Gesetzes vom 4. Mai 1874 ergangenen 
Verfügungen der Zentral= und Landespolizeibehörden außer Kraft ge- 
setzt, durch Gesetz vom 24. Juni 1891 (GS. S. 227) wird über die 
Beiträge, welche auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 (GS. 
S. 194), betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln 
für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen, inzwischen an- 
gesammelt worden sind, zugunsten der einzelnen Dibzesen bezw. Diözesan- 
anteile verfügt. In erster Linie sind durch besondere Kommissionen nach 
freiem Ermessen an solche Institute und Personen bezw. deren Erben, 
welche auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1887 Einbuße erlitten haben, 
Beträge bewilligt (Art. 2), aus den Restbeträgen ist ein Diözesanfonds 
angelegt worden (Art. 5). Bezüglich der Orden sind durch preußisches Gesetz 
vom 29. April 1887 diejenigen Orden wieder zugelassen worden, welche 
sich der Aushülfe in der Seelsorge, der Ubung der christlichen Nächsten- 
liebe, der Erziehung der weiblichen Jugend widmen oder ein beschau- 
liches Leben führen. Die mehrfach beantragte Aufhebung des Jesuiten- 
gesetzes ist infolge des Widerstandes des Bundesrats bisher stets ge- 
scheitert, jedoch sind die Redemptoristen und die Priester vom Heiligen 
Grabe in Gemäßheit der Bekanntmachung vom 18. Juli 1894 (RGBl. 
S. 503) wieder zugelassen. 
§ 146. Die Entwicklung der evangelischen Kirche in 
Preußen im 19. Jshrhundern (KoaffstortalSpnodalver 
assung). 
Während die Verfassung und Verwaltung der von Zwingli und 
Calvin begründeten reformierten Kirche auf den Gemeinden und 
den aus ihnen erwählten Presbyterien fußte, erschöpfte sich in der 
lutherischen Kirche das Recht der Gemeinden in einem Beschwerde= und 
Einspruchsrecht (votum negativum). Allmählich brach sich jedoch auch 
in der lutherischen Kirche die Erkenntnis Bahn, daß die Gemeinde kein 
bloßes Objekt pastoraler Wartung, sondern vielmehr Subjekt des kirch- 
lichen Lebens ist, welche ein Recht der Teilnahme an der Besetzung 
des geistlichen Amts, der Mitwirkung bei der Verwaltung des kirch- 
lichen Vermögens, Anteil an der Kirchenzucht, Mitwirkung bei Ab- 
änderungen von organischen Verfassungseinrichtungen in der Gemeinde, 
Kontrolle über das Lehramt hat. Diesen immer dringlicher auftreten- 
den Forderungen wurde fast in ganz Deutschland Erfüllung durch die 
Einrichtung der Konsistorial-Synodalverfassung, wobei die bestehende 
Konsistorialverfassung mit einer sich stufenweise aufbauenden Synodal- 
organisation verbunden wurde. Diese Verfassung wurde in Preußen 
zuerst für Westfalen und die Rheinprovinz durch die Kirchenordnung 
vom 5. März 1835, revidiert am 13. Juni 1853, eingeführt. Für 
die sieben östlichen Provinzen (Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, 
Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen) ist unter dem 10. September 
Altmann, Handbuch der Bersaffung II. 34 
 
	        
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