Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

548 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
„geistliche Gesellschaften“ nennt ((ogl. Überschrift zu II 12 AL# .). 
Wenn im Art. 13 Vll. die geistlichen Gesellschaften neben den Religions- 
gesellschaften noch besonders aufgeführt sind, so hat das nicht den Zweck 
einer Anderung der Terminologie, sondern es ist damit lediglich be- 
zweckt, besonders darauf hinzuweisen, daß es auch zur Verleihung von 
Korporationsrechten an geistliche Gesellschaften eines Gesetzes bedürfe. 
Hinsichtlich ihrer Berechtigung unterscheidet das ALR. Kirchen- 
gesellschaften, welche vom Staate ausdrücklich auf- 
genommen sind (8 17 a. a. O.), und solche, welche der Staat 
genehmigt hat (8 20 a. a. O., jetzt nach Wegfall der Genehmigung 
infolge des Art. 12 Vl., die sogenannten geduldeten Gesell- 
schaften). Von den ersteren sagt das Gesetz, daß sie die Rechte 
privilegierter Korporationen haben, was aber nicht in dem Sinne 
zu verstehen ist, daß die Religionsgesellschaft als Ganzes juristische 
Persönlichkeit hat, sondern daß diese juristische Persönlichkeit nur den 
einzelnen Gemeinden, — sofern dieselben nach Maßgabe des Gesetzes 
gebhildet sind (ogl. S§ 237 ff. a. a. O.), zukommt — (Koch, ALR. § 11 
11 § 17 das. Anm. 29 Abs. 2; OKr. Bd. 81 S. 326 ff.). Diese 
Gemeinden fallen also nicht unter Art. 13 Vl., sondern erlangen bei 
ihrer Entstehung kraft Gesetzes juristische Persönlichkeit. Ihnen stehen 
die geduldeten Gesellschaften (§ 20) gegenüber. Sie können Korpo- 
rationsrechte nur im Wege des Gesetzes erlangen. Der Unterschied 
zwischen ausdrücklich und bloß faktisch geduldeten Religionsgesellschaften 
ist mit dem Erfordernisse der präventiven staatlichen Genehmigung 
fortgefallen (Zeitschr. f. Kirchen-R. 1 S. 424 f.). 
Zu den ausdrücklich ausgenommenen Gesellschaften gehören in Preußen 
ausschließlich die lutherische, reformierte und katholische Kirche, zu 
letzterer sind auch die altkatholischen Kirchengemeinden zu rechnen nach dem 
Gesetz vom 4. Juli 1875 bezw. im Gebiete der unierten Kirche diese 
an Stelle der früher gesonderten beiden Formen der evangelischen 
Kirche (Koch, ALR. § 17 II. 11 Anm. 29 Nr. 2; OG. Bd. 38 
S. 437). Jede sich von der Gemeinschaft dieser Landeskirchen getrennt 
haltende religiöse Gemeinschaft gilt als bloß geduldete und bedarf zum 
Besitze der Korporationsrechte einer gesetzlichen Verleihung (Johow 
Bd. 30 S. A. 130). Geduldet ist hiernach eine Religionsgesellschaft, 
welche der Staat genehmigt, der er aber nicht die Privilegien öffent- 
lich aufgenommener Kirchengesellschaften erteilt hat. Zu den geduldeten 
gehört auch die jüdische Religionsgesellschaft. Seit dem Gesetz vom 
23. Juli 1847 (GS. S. 347) §5§5 35—37 und dem Gesetz vom 
28. Juli 1876 (GS. S. 353) § 8 haben die jüdischen Synagogen- 
gemeinden in bezug auf ihre Vermögensverhältnisse juristische Persön- 
lichkeit (vgl. mein Handbuch des deutschen Vereinsrechts. Berlin. 
1905. S. 13). 
Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften 
haben die Rechte privilegierter Korporationen des öffent- 
lichen Rechts (§ 17 ALR. II 11). Die von ihnen zur Ausübung 
ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt und 
sind als privilegierte Gebäude des Staate s anzusehen (8 18 I. c.), 
  
  
  
  
  
 
	        
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