Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 150. Die gegenwärtige Stellung d. preuß. Staates zu den Kirchen 2c. 519 
d. h. öffentliche Sachen. Als solche sind sie dem Privateigentum ent- 
zogen, obwohl im Eigentum der Kirchengemeinde (88 160, 170, 174, 
8* h. t.). #n Ersitzung an ihnen ist ausgeschlossen (A#bF. 1 9 
581, 582). 
Die bei solchen Kirchengesellschaften zur Feier des Gottesdienstes 
und zum Religionsunterricht bestimmten Personen haben mit anderen 
Beamten im Staate gleiche Rechte (§ 19 h. t.). Das besondere Recht 
der Geistlichen besteht wie bei Beamten in Befreiungen und Be- 
schränkungen. Sie sind befreit von Kommunal-, Kreis= und Pro- 
vinzialabgaben, wie von der Einquartierungslast und den Natural- 
leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden, von den kirchlichen 
Abgaben und Lasten, aber nicht von Schulgemeindebeiträgen, nicht von 
der Militärpflicht, nur vom Dienst mit der Waffe im Felde, ferner 
angestellte Geistliche sind in der Ersatzreserve und im Beurlaubtenstande 
von dem Militärdienste mit der Waffe befreit (§ 65 Gesetz vom 2. Mai 
1874 RGBl. S. 45 und Gesetz vom 11. Februar 1888 RGBl. S. 11). 
Sie genießen gegen Amtsbeleidigungen besonderen strafrechtlichen Schutz 
( 196 St G.). Die Zwangsvollstreckung gegen sie unterliegt den 
Beschränkungen der ZPO. 88§8 811 Nr. 7, 8 und 850 Nr. 8. Sie 
können nicht Schöffe, Geschworene, nicht Stadtverordnete, Magistrats- 
mitglieder, Vorsteher oder Mitglieder einer anderen kommunalen Ver- 
tretung sein. Vormünder, Schiedsmänner können sie nur mit Ge- 
nehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde sein (Art. 72 preuß. A. 
z. BGB. und Schiedsmannsordnung vom 29. März 1879 8 2). 
Zur Zeit der Emanation der preußischen Verfassung hatten außer- 
dem Korporationsrechte die Herrenhuter nach der Generalkonzession 
vom 18. Juli 1763, die separierten Altlutheraner (Generalkonzession 
vom 23. Juli 1845 (GS. S. 516), durch Gesetz haben sie gemäß 
Art. 13 der Vl. erlangt die Mennoniten (Ges. vom 12. Juni 1874), 
die Baptisten (Ges. vom 7. Juli 1875). Außer den juristischen Per- 
sönlichkeiten haben sie einen erhöhten strafrechtlichen Schutz erhalten 
und sind von der vereinspolizeilichen Aufsicht befreit. 
Ein Aufsichtsrecht des Staates gegenüber allen Religionsgesell- 
schaften zeigt sich in den gesetzlichen Vorschriften über die Grenzen 
des Rechts zum Gebrauche kirchlicher Straf= und Zuchtmittel. Diese 
dürfen nur dem rein religiösen Gebiete angehören oder die Entziehung 
eines innerhalb der Kirche oder der Religionsgesellschaft wirkenden 
Rechts oder die Ausschließung aus der Kirchen= oder Religionsgesell- 
schaft bezwecken. Straf= oder Zuchtmittel gegen Leib, Vermögen, Frei- 
heit oder bürgerliche Ehre sind unzulässig (§ 1 des Ges. vom 13. Mai 
1873 (GS. S. 205). Für sämtliche, mit Korporationsrechten ver- 
sehene Religionsgesellschaften ist der Austritt aus ihnen durch Ge- 
setz vom 14. Mai 1873 geregelt. Das Nähere s. § 6 dieses Buches. 
Dem Mißbrauch der Kirchenge walt wird im allgemeinen Staats- 
interesse dadurch zu begegnen gesucht, daß die Geistlichen wegen staats- 
gefährdender Predigten und Veröffentlichungen durch 8 130 a StGB. 
(Kanzelparagraph) bedroht sind. Die mit Korporationsrechten aue- 
gestatteten Religionsgesellschaften sind ferner in ihrem Vermögens-
	        
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