570 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu be-
stimmen, ebenfalls unberührt geblieben. Diese Bestimmungen find
lediglich privatrechtlicher Natur und sollen das Erziehungsrecht des
Inhabers der elterlichen Gewalt etwaigen Willensäußerungen des
Kindes sowie unbefugten Eingriffen dritter Personen gegenüber sichern.
Durch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, hat sonach
der für die Erziehung des Kindes Sorge zu tragen Verpflichtete nicht
die Befugnis erhalten, das schulpflichtige Kind durch Unterbringung
im Auslande von dem vorgeschriebenen Besuch einer inländischen
Schule fernzuhalten. (Urteil d. KG. vom 23. Januar 1902 in
Johow's Jahrb. Bd. 23 S. C. 110—115).
Die allgemeine staatliche Schulpflicht verlangt zwar nicht den Besuch
einer bestimmten öffentlichen Volksschule am Ort, sondern nur den
Besuch einer öffentlichen Volksschule im allgemeinen, so daß es im
allgemeinen in das Belieben der Eltern gestellt ist, in welche Volks-
schule ihres Wohnortes oder eines anderen Ortes sie ihre Kinder senden
wollen (Erlaß des preußischen Kultusministers vom 9. Januar 1864,
Schneider und v. Bremen, Volksschulwesen im preußischen Staate.
Berlin 1886. Bd. 3 S. 18 und vom 13. November 1860 a. E. ebenda
Bd. 1 S. 222 u. KG. Urteil vom 14. März 1901 in Johow, Jahrb.
Bd. 21 S. C. 106). Vorstehendes gilt aber nur mit der Einschränkung,
daß den Kindern der für sie obligatorische Schulunterricht zuteil werde,
daß sie in den für sie obligatorischen Schulfächern den reglements-
mäßigen Unterricht erhalten. Zu den obligatorischen Unterrichtsgegen-
ständen der allgemeinen Schulpflicht gehören in ganz Preußen gemäß
88 13 ff. der Allg. Verf. vom 15. Oktober 1872 der evangelische und
katholische Religionsunterricht. Soweit dieser für die betreffenden
Kinder obligatorisch ist, wird die allgemeine Schulpflicht nur erfüllt,
wenn sie ihn besuchen, und die Schulversäumnisstrafen sind verwirkt,
wenn sie schuldhafterweise zu seinem Besuche nicht angehalten werden.
Die Sprache, in welcher der Religionsunterricht zu erteilen ist, wird von
den staatlichen Schulbehörden bestimmt, und zwar folgt dies Recht aus
dem AL#R. und dem Gesetz vom 11. März 1872 (KG. Strafsenat vom
28. März 1907 DJZ. S. 485). Obligatorisch ist der Religionsunterricht
nicht für diejenigen Kinder, welche, weil sie einer anderen Religion z. B.
der jüdischen angehören, weder evangelisch noch katholisch zu erziehen sind.
Der jüdische Religionsunterricht in Preußen (auch in den früher hessischen
Gebietsteilen) gehört sogar selbst dann nicht zu den obligatorischen Lehr-
gegenständen der Volksschule, wenn er an ihr gelehrt wird. Noch viel
weniger besteht eine Verpflichtung jüdischer Eltern ihre Kinder in eine
vorhandene jüdische Religionsschule einer Nachbargemeinde zu senden.
Eine bloße Religionsschule ist keine öffentliche Schule im Sinne des
Gesetzes. Deshalb kann auch der Besuch dieser Schulen nicht durch
Zwangs= und Strafgesetze, insbesondere durch die staatlichen Schul-
versäumnisstrafen erzwungen werden (vogl. Urteil des KG. v. 14. März
1901 in Johow, Jahrb. Bd. 21 S. C. 100, 101). Obligatorisch ist. der
Religionsunterricht für evangelische und katholische Kinder auch dann
nicht, wenn die Eltern darüber einig sind, daß sie einen anderen