Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

676 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Die Lehrer bedürfen zur Verhängung einer körperlichen Züchtigung 
der Ermächtigung des Schulvorstandes nur dann, wenn geringere 
Züchtigungen nicht mehr ausreichen (RG. E. in Straff. Bd. 9 S. 302). 
Die Ausübung des Züchtigungsrechtes kann auch einem dritten (Schul- 
diener) übertragen werden (OVG. E. vom 25. Juni 1884 im Preuß. 
VBl. 6 S. 218). 
Über die Frage, ob die Strafe im richtigen Verhältnis zu dem 
Verschulden des Kindes stand, und ob der Lehrer von seinem Züch- 
tigungsrecht richtigen Gebrauch gemacht hat, darüber ist ausschließlich 
durch die Schulaufsichtsbehörde zu befinden (OVG. E. vom 19. No- 
vember ss- ZBl. 1885 S. 375 in v. Kamptz, Bd. 2 S. 674 
Anm. 2). 
Der Lehrer hat bei Ausübung seines Züchtigungsrechts zweierlei 
im Auge zu behalten: 
1. Zweck der Züchtigung. Der Lehrer hat zu prüfen, ob ein 
Verschulden des Kindes als Anlaß zur Züchtigung vorliegt. Irrtum 
in der Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse enthält keine Über- 
schreitung der Amtsbefugnisse, kann allerdings disziplinare Ahndung 
zur Folge haben (RG. E. in Straff. Bd. 2 S. 14 u. Bd. 5 S. 129). 
2. Die Mittel. Wenn die Regierung als Aufsichtsbehörde die 
Anwendung gewisser Strafarten und Mittel untersagt und damit den 
Lehrern noch engere Grenzen als das Gesetz gezogen hat, so macht 
der Lehrer bei Nichtbeachtung dieser Vorschriften (§ 85 II 10 AMLR.) 
sich einer Amtsüberschreitung schuldig, und Irrtum über Inhalt und 
Tragweite der Anweisungen entschuldigt ihn nicht (OVG. E. Bd. 14 
S. 431; E. des RG. in Strafs. Bd. 9 S. 303 und Bd. 15 S. 376). 
Vorstehende landesgesetzliche Normen für die Ausübung eines Züch- 
tigungsrechts im Gebiete der Schuldisziplin bestehen trotz der reichs- 
gesetzlichen Regelung der Körperverletzung in den §§ 223, 223 àa des 
Reichsstrafgesetzbuchs in fortdauernder Geltung (vgl. Olshausen, Kom- 
mentar zum StG. 7. Aufl. Berlin 1906, Bd. 2 Bem. 10 zu b) 
zu § 223 StEB. S. 833f.). 
8§ 154. Behördenorganisation.) 
A. Der Unterrichtsminister. An oberster Stelle gebührt auf 
Grund der Verordnung vom 27. Oktober 1810 die Leitung des ge- 
samten Schulwesens ?) dem Unterrichtsminister, der gleichzeitig Minister 
der geistlichen und Medizinalangelegenheiten ist. Eine Teilung dieses 
für einen Minister zu umfangreichen Ressorts ist schon wiederholt an- 
geregt worden und steht unmittelbar bevor. Für das niedere Schul- 
wesen (für die Angelegenheiten des Elementarschulwesens einschließlich 
der Seminare, des Unterrichts der Taubstummen, Blinden und Idioten, 
1) Vgl. v. Brauchitsch, Preußische Verwaltungsgesetze Bd. 7 S. 54— 59. Berlin 1907. 
2) Die Aufsicht über gewerbliche und kunstgewerbliche Fachschulen und Zeichen- 
schulen, Pflege des Kunstgewerbes, sowie über die Fortbildungsschulen ist dem 
Minister für Handel und Gewerbe Übertragen (Allerh. Erlaß vom 3. September 
1884 (GS. 1885 S. 95|. Das ländliche Fortbildungsschulwesen untersteht dem 
Minister für Landwirtschaft.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.