40 2. Buch. Die Organe der Staats= und staatlichen Selbstverwaltung.
amten unterstehen zwar der Aufsicht des Justizministers und der Ge-
richtsvorstände bezw. der Vorstände der Staalsanwaltschaft, jedoch sind
für die rein richterlichen Beamten besondere Garantien für ihre Unab-
hängigkeit und Selbständigkeit geschaffen. (GVG. § 1, preußische Vu.
Art. 86, AG. z. G#G. vom 24. April 1878 GS. S. 230 §§ 77f.).
1. Bildungsgang.
Die Fähigkeit zum Richteramt wird durch die Ablegung zweier
Prüfungen nach vorausgegangenem dreijährigen Studium der Rechts-
wissenschaft auf einer Universität erlangt. Ferner ist zum Richteramt
befähigt jeder ordentliche öffentliche Lehrer des Rechts an einer deutschen
Universität (§ 4 GVG.).
Der wissenschaftliche Studiengang ist folgender: Der mit dem Reife-
zeugnis eines deutschen Gymnasiums oder Realgymnasiums Versehene
hat zunächst drei Jahre den Rechts= und Staatswissenschaften an der
Universität, wovon 3 Halbjahre auf einer deutschen Universität zuge-
bracht sein müssen, sich zu widmen (§ 2 GVG.). Nach Ablauf des
akademischen Trienniums kann der Rechtskandidat auf Grund der
beigebrachten Exmatrikeln der von ihm besuchten Universitäten, welche
den Ausweis seines Studienganges und seiner sittlichen Führung ent-
halten müssen, bei einem der Präsidenten der Oberlandesgerichte in
Berlin (Kammergerichtspräsident), Breslau, Stettin, Königsberg, Köln,
Kassel, Celle, Kiel seine Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung
nachsuchen. Das Examen besteht in der Anfertigung einer wissenschaft-
lichen Arbeit aus dem Gebiete der Rechtswissenschaft, welche binnen
einer Frist von 6 Wochen abzuliefern ist. Außerdem hat sich der
Kandidat einer mündlichen Prüfung zu unterziehen. Die bei dem
betr. Oberlandesgericht gebildete Prüfungskommission besteht aus dem
Präsidenten des Oberlandesgerichts bezw. dessen Stellvertreter als Vor-
sitzenden, 2 Universitätsprofessoren und einem Mitgliede des Oberlandes-
gerichts. Die Prüfung erstreckt sich auf alle Disziplinen der Rechts-
und Staatswissenschaft, einschl. der Nationalökonomie und Finanzwissen-
schaft. Nach bestandenem Examen (bei nicht bestandenem Examen kann
das Examen nur noch ein Mal wiederholt werden) hat der Rechts-
kandidat seine Zulassung zum praktischen Vorbereitungsdienst als
Referendar bei einem der Oberlandesgerichtspräsidenten nachzusuchen,
wobei die Vorschrift besteht, daß diejenigen, welche in einem Bundes-
staate das erste juristische Staatseramen bestanden haben, in jedem
anderen Bundesstaat zur Vorbereitung zum Richteramt zugelassen
werden können (GVG. S#§S 3, 5). Letzterer hat, wenn keine der gesetz-
lich geregelten Anstände bestehen, dem Gesuche stattzugeben und den
Gesuchsteller unter Ernennung zum Referendar in dem Bezirke des
betr. Oberlandesgerichts einem Amtsgericht des Bezirks für die Zwecke
des Vorbereitungsdienstes zunächst auf 9 Monate zu überweisen. Lehnt
der zustandige Oberlandesgerichtspräsident die Zulassung des Antrag-
Elena ab, so gilt diese Ablehnung für sämtliche Oberlandesgerichts-
ezirke.
Nach Antritt des Vorbereitungsdienstes hat der Referendar den
richterlichen Diensteid zu leisten und genießt von da ab die Vorrechte