632 Anhang.
Offentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens sind jedoch im Verwaltungsstreitver-
fahren bedeutsame Ausnahmen zugelassen, indem der Kläger bezw. Antragsteller
durch begründeten Bescheid ohne weiteres zurückgewiesen werden kann, wenn sich
der erhobene Anspruch sofort als rechtlich unzulässig oder unbegründet heraus-
stellt. Scheint der erhobene Anspruch dagegen rechtlich begründet, so kann umgekehrt
sogleich dem Beklagten durch begründeten Bescheid die Klaglosstellung des Klägers
aufgegeben werden (§ 64 LVG.). Der Bescheid wird vom Verwaltungsgericht err-
lassen, kann aber namens des Kreis= oder Bezirksausschusses auch seitens des Vor-
sitzenden dieser Verwaltungsgerichte ergehen.
Während im Zivilprozeßverfahren die Selbstbetriebsmaxime
der Parteien grundsätzlich durchgeführt ist, enthält das Verwaltungsstreit-
verfahren Elemente der Offizial= und Untersuchungsmaxime.
Einen Anwaltszwang für die Vertretung der Parteien vor Gericht, wie ihn das
Zivilprozeßverfahren vom Landgericht aufwärts gesetzlich eingeführt hat, kennt das
Verwaltungsstreitverfahren nicht.
4. Instanzenzug.
In beiden Verfahren ist ein dreifacher Instanzenzug anerkannt. Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch:
a) die Kreis-(Stadt-hausschüsse in erster Instanz;
b) die Bezirksausschüsse fast regelmäßig in zweiter Instanz;
c) das Oberverwaltungsgericht in dritter Instanz.
Die Ziovilgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch:
a) die Amts= und Landgerichte in erster Instanz;
b) die Oberlandesgerichte in zweiter Instanz;
) das Reichsgericht in dritter Instanz.
5. Zusammensetzung des erkennenden Gerichts.
Von allgemeiner und grundsätzlicher Bedeutung ist für die Bildung des Gerichts-
hofes in Verwaltungsstreitsachen, soweit die erste und zweite Instanz in Betracht
kommt, die Heranziehung des Laienelements aus den gewählten Vertrauensmännern
der Kreis= und Provinzialangehörigen als beisitzende, mit Stimmrecht ausgestattete
ichter.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten entscheiden,
abgesehen von den Kammern für Handelssachen, den Gewerbe= und Kaufmanns-
gerichten, nur Berufsrichter (beim Amtsgericht Einzelrichter, beim Landgericht Kollegium
aus drei Berufsrichtern bestehend, beim Oberlandesgericht der kollegiale Senat aus
zs N bestehend, beim Reichsgericht der kollegiale Senat aus sieben Richtern
estehend).
Die Zusammensetzung der Verwaltungsgerichte ist folgende:
a) Der Kreisausschuß (Stadtausschuß) ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß
des Vorsitzenden drei Mitglieder anwesend sind. Er besteht an sich aus dem Landrat
als Vorsitzenden und sechs gewählten Mitgliedern.
b) Der Bezirksausschuß ist in der Regel bei Anwesenheit von fünf Mit-
gliedern (in Streitsachen unter Armenverbänden bei drei Mitgliedern) beschlußsähig,
wobei jedoch sich in allen Fällen mit Einschluß des Vorsitzenden zwei ernannte,
darunter ein zum Richteramt befähigtes und ein gewähltes Mitglied befinden müssen.
c) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet in einer Zusammensetzung von fünf
Mitgliedern, welche ausschließlich Berufsrichter sind.
Bezüglich der Zusammensetzung des Bezirksausschusses sind noch folgende Ent-
scheidungen hervorzuheben: Trotz eines Wechsels der Mitglieder des Bezirksaus-
schusses ist letzterer vorschriftsmäßig besetzt, wenn nur diejenigen fünf Mitglieder
des Gerichtshofes, von denen das Urteil gefällt worden ist, der diesem voran-
gegangenen mündlichen Verhandlung von Anfang an beigewohnt haben. (O#G.
E. vom 8. Oktober 1903 Bd. 44 S. 357 in v. Kamptz Erg. Bd. 3 S. 572). Ein
wesentlicher Mangel des Verfahrens und zugleich eine Verletzung des § 33 LVG.
liegt vor, wenn nach dem Verhandlungsprotokoll sechs Mitglieder des Bezirksaus-
schusses an der Beratung teilgenommen haben, ohne daß erkennbar ist, ob und