Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

642 Anhang. 
der Offentlichkeit verhandelt werden (vgl § 157 Z. 1 W#. v. Brauchitsch Bd. 1 
Anm. 129 zu § 72). 
Die Offentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkündigenden Beschluß aus- 
geschlossen werden, wenn das Gericht dies aus Gründen des öffentlichen Wohls 
oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet (§ 72 Abs. 2 LVG.). Der Vorsitzende 
kann aus der öffentlichen Sitzung jeden Zuhörer entfernen lassen, der Zeichen des 
Beifalls oder des Mißfallens gibt oder Störung irgendeiner Art verursacht. Par- 
teien, Zeugen, Sachverständige, welche den zur Aufrechterhaltung der Ordnung er- 
lassenen Befehlen des Vorsitzenden nicht gehorchen, können auf Beschluß des Gerichts 
aus dem Sitzungszimmer entfernt werden. Gegen die bei der Verhandlung be- 
teiligten Personen wird sodann in gleicher Weise verfahren, wie wenn sie sich frei- 
willig entfernt hätten (§ 72 Abs. 3 und 4 LVG.), d. h. es können die von der 
r* vorgebrachten Tatsachen als zugestanden erachtet werden (vgl. auch 
79 LV.). 
Die mündliche Verhandlung beginnt mit dem Vortrage des Bericht- 
erstatters über das Sachverhältnis. Bei dem Erscheinen sämtlicher Beteiligter 
kann der Vorsitzende diesen den Vortrag des Sachverhalts überlassen (ogl. § 11 des 
Regulativs f. d. Kreis-, Bezirks= usw. Ausschüsse). Im übrigen sind demnächst die 
Parteien und deren Vertreter zu hören. 
Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereidigten Protokoll= 
führers. Das Protokoll muß die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung ent- 
halten. Dasselbe wird von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer unter- 
zeichnet (§ 75 LVG.). Nach § 12 des Regulativs für Kreis-, Bezirks= usw. Aus- 
schüsse sind im Protokoll festzustellen: neue tatsächliche Erklärungen 
und neue Anträge der Beteiligten oder die Tatsache, daß solche aus den 
Vorträgen der Beteiligten nicht zu entnehmen waren; Anerkenntnisse, 
Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der geltend gemachte 
Anspruch ganz oder teilweise erledigt wird; die Aussagen der Zeugen und 
Sachverständigen, welche im Termine zur mündlichen Verhandlung ver- 
nommen werden, die zum Zwecke der Aufklärung des Sachverhalts oder der förm- 
lichen Beweisaufnahme erfolgte Vorlegung von Akten und Verlesung 
von Schriftstücken, das Ergebnis eines im Termin eingenommenen 
Augenscheins. 
Das Protokoll begründet regelmäßig den vollen Beweis des beurkundeten 
Vorganges (OVG. E. vom 26. Juni 1882). In das Protokoll ist auch die ver- 
kündete Entscheidung aufzunehmen, da die Verkündigung des Wortlauts der Ent- 
scheidung zu den wesentlichsten Hergängen der Verhandlung gehört (OVG. Verf. 
vom 9. Januar 1899). 
D. VSeweisanfnahme. 
lüber Antritt, Erhebung und Würdigung des Beweises sind für das Verwaltungs- 
streitverfahren in den §§ 76, 77, 79 LVG. besondere Bestimmungen getroffen. 
Etwaige ergänzende Bestimmungen der Z. sind daher insoweit für den Ver- 
waltungsrichter nicht bindend (OVG. E. vom 11. Januar 1898 Bd. 44 S. 357 
in PVBl. 20, 76). Die Verpflichtung sich als Zeuge oder Sachverständiger ver- 
nehmen zu lassen und die hierbei zu verhängenden Strafen im Falle des Ungehorsams 
regeln sich nach den hierher gehörigen Vorschriften der Z#. (§8§ 380 ff. 407 ff.) 
unter Berücksichtigung der im § 78 LVG. und § 111 LVG. gegebenen Sonder- 
bestimmungen, danach darf im Falle des Ungehorsams die zu erkennende Geldbuße 
150 M. nicht übersteigen. Ferner steht gegen die eine Strafe oder die Nichtver- 
pflichtung des Zeugen oder Sachverständigen aussprechende Entscheidung den Be- 
teiligten innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an das im Instanzenzuge 
zunächst vorgesetzte Gericht, gegen die in zweiter Instanz ergangene Entscheidung 
des Bezirksausschusses die weitere Beschwerde an das Oberverwaltungs- 
gericht zu. 
Die Beweiserhebung erfolgt von Amts wegen. Im Verwaltungsstreitverfahren 
herrscht in diesem Punkte die Offizialmaxime. Das Gericht ist befugt, einen 
zwar nicht angetretenen, aber nach seinem Ermessen erforderlichen Beweis zu erheben 
(§ 76 LVG.). Anderseits ist der Verwaltungsrichter nicht verpflichtet, jeden ange- 
tretenen Beweis zu erheben. Das Ermessen des Gerichts entscheidet allein hierüber.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.