8§ 11. Nicht richterliche Justizbeamte. 47
besteht aber in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für die Verhandlung
vor den Landgerichten und höheren Instanzen Anwaltszwang (8#.O.
§ 78), d. h. jede Partei muß in Zivilprozessen durch einen bei dem
Gericht, bei welchem die Prozeßsache rechtshängig geworden ist, zu-
güussenen gnwalt vertreten sein, sofern in der Sache selbst verhandelt
werden soll.
Außerhalb der Anwaltsprozesse sind die bei einem deutschen Gerichte
zugelassenen Rechtsanwälte im ganzen Reich zur Vertretung der Parteien
zuständig (RAO. 88 26, 27). Besondere Vorschriften bestehen für
bie Rechtsanwälte bei dem Reichsgerichte (RAO 88 98—102). Über
die Zulassung von Anwälten entscheidet das Präsidium des Reichs-
gerichts nach freiem Ermessen. Die bei dem Reichsgerichte zugelassenen
Anwälte dürfen aber bei einem anderen Gerichte weder zugelassen
werden noch auch nur auftreten. Eine Übertragung der dem Prozeß-
bevollmächtigten zustehenden Vertretung auf einen bei dem Reichs-
gerichte nicht zugelassenen Rechtsanwalt ist unstatthaft. Die Anwalts-
kammer wird durch die bei dem Reichsgerichte zugelassenen Rechts-
anwälte gebildet.
Die Mitglieder des Ehrengerichtshofes können nicht Mitglieder des
Ehrengerichts sein.
Die Aufsichtsbefugnisse werden von dem Reichskanzler und dem
Reichsgericht ausgeübt.
Die Stellung der Rechtsanwälte, ihre Rechte und Pflichten einer-
seits gegenüber den von ihnen vertretenen Parteien, anderseits gegen-
über dem Gerichte ist gesetzlich sowohl in der Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878 (RGBl. S. 177) als auch im Gerichtsverfassungs-
gesetz (§§ 180—183) geregelt. Die RAO. enthält auch die maß-
gebenden Vorschriften über das ehrengerichtliche Verfahren gegen
Rechtsanwälte.
Das ehrengerichtliche Verfahren, welches in Anlehnung an das vor
die Strafkammer gehörige Wesaheen unter Mitwirkung der Staats-
anwaltschaft geregelt ist (RAO. 88 62—97), findet statt bei Zuwider-
handlungen gegen die dem Anwalt durch seinen Beruf auferlegten
Pflichten und bei Verfehlungen gegen die Standesehre (Unwürdigkeit
der durch den Beruf bedingten Achtung, sei es innerhalb oder außer-
halb seines Berufs). 1)
Als Strafen kommen in Betracht: Warnung, Verweis, Geldstrafe
bis zu 3000 M. oder Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft.)
Als Disziplinargericht fungiert in erster Instanz das aus den Mit-
gliedern des Vorstandes der Anwaltskammer für jeden Oberlandes-
gerichtsbezirk gebildete Ehrengericht, in zweiter Instanz der aus dem
Präsidenten des Reichsgerichts als Vorsitzenden, 3 Mitgliedern des
Reichsgerichts und 3 Mitgliedern der Anwaltskammer bei dem Reichs-
gericht gebildete Ehrengerichtshof in Leipzig (RAd. 88§ 67 ff. u. 90 ff.).
) RAO. §§ 28—40 u. StGBV. § 31 Abs. 2, 8§ 300, 352, 356, 358 u. 359.
2) NA#O. 85 62—97, 115, 176. Bestrafung bei Ungebühr in den Gerichts-
situngen durch das Gericht G. 88 180—183, bei Dienstleistung für beide
Parteien StB. 8 356.