Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

48 2. Buch. Die Organe der Staats-= und staatlichen Selbstverwaltung. 
Die innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks zugelassenen Rechts- 
anwälte bilden die Amtsanwaltskammer. Diese wählt einen 
Vorstand von 9—15 Mitgliedern, dem die Verwaltung der gemein- 
samen Angelegenheiten, die Aufsicht über die Anwälte, insbesondere 
die Handhabung der ehrengerichtlichen Strafgewalt als sogen. Ehren- 
gericht in der Besetzung von 5 Mitgliedern und die Entscheidung von 
Streitigkeiten der Anwälte untereinander und mit ihren Auftraggebern 
(Beschwerden) obliegt. ) 
Die Gebühren der Rechtsanwälte sind nach Reichsgesetz in ähnlicher 
Weise, wie für die Gerichtskosten geregelt. z) Abweichende Verein- 
barungen mit ihren Auftraggebern sind den Anwälten gestattet.“) 
Eine besondere Gebührenordnung ist für die Tätigkeit der Anwälte in 
den durch Landesgesetz geregelten Angelegenheiten erlassen.") 
b) Ferner sind als Justizpersonen zu erwähnen die Schiedsmänner. 
(Schiedsmannsordnung 29. März 1879.) Zur Sühneverhandlung über 
streitige Rechtsangelegenheiten sind überall für bestimmte Bezirke 
Schiedsmänner zu bestellen. Der Bezirk eines Schiedsmanns besteht 
entweder aus einem Teile des Gemeindebezirks oder umfaßt den 
Gemeindebezirk bezw. Gutsbezirk oder mehrere Gemeinden bezw. Guts- 
bezirke. Die Abgrenzung erfolgt in den Städten durch den Magistrat 
und, wo kein kollegialischer Gemeindevorstand besteht, durch den Bürger- 
meister, für die Landgemeinden und Gutsbezirke durch die Kreisver- 
tretung. Die Wahl des Schiedsmanns steht der Gemeindevertretung, 
wo eine gewählte Gemeindevertretung nicht besteht, der Gemeinde- 
versammlung, in selbständigen Gutsbezirken dem Gutsvorsteher, und 
für die aus mehreren Gemeinden oder Gutsbezirken zusammengesetzten 
Schiedsmannsbezirke der Kreisvertretung zu. Sie erfolgt auf drei 
Jahre. Die Gewählten bedürfen der Bestätigung durch das Präsidium 
des Landgerichts, in dessen Bezirk sie ihren Wohnsitz haben. Aus- 
geschlossen von der Wahl ist, wer das dreißigste Lebensjahr nicht 
vollendet hat, wer nicht in dem betreffenden Schiedsmannsbezirke wohnt, 
wer infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Befähigung zur Bekleidung 
öffentlicher Amter verloren hat, und wer infolge gerichtlicher Anord- 
nung in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist. Staats- 
beamte und besoldete Beamte der Kommunal= und Kirchenverwaltung, 
ebenso Reichsbeamte und Militärpersonen bedürfen zur Übernahme des 
Amtes die Genehmigung ihrer zunächst vorgesetzten Behörde. Zur 
Ablehnung oder Niederlegung des Amtes vor Ablauf der Wahlperiode 
berechtigen: Das Alter von 60 Jahren, die Verwaltung des Schieds- 
N#. 8§ 41—61, 102, 105, 106 und 111. 
2) Rechtsanwaltsgebührenordnung vom 7. Juli 1879 (RGl. S. 176 mit 
Anderung gem. Ges. vom 17. Mai 1898 RGBl. S. 342, neu veröffentl. 98 (RGl. 
S. 692.) Verjährung der Gebühren in 2 Jahren BGB. § 19615. Bei Gebühren- 
überhebung tritt Strafe nach § 352 St GB. Literatur z. Gebührenordnung f. NA. 
Kommentare von Meyer, 3. Aufl. Berlin 1899. Walter Joachim, Berlin 1904 
(4. Aufl.). Sydom-Busch, 7. Aufl. Berlin 1908. 
2) Gebührenordnung § 93. 
4) Ges. vom 27. Dezember 1899 Abschn. 1 (GS. S. 817, gem. Art. 29) neu 
veröffentl. 1899 (GS. S. 381). Vgl. Joachim, Kommentar. Berlin 1900.
	        
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