Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 18. Pflichten der Beamten. 55 
in besonderen Gesetzen geordnet. Dies Verfahren greift bei geringeren 
Verstößen Platz, dei schwereren Verletzungen der Amtspflichten, die zugleich 
eine Verletzung der Rechtsordnung überhaupt darstellen, reicht die dis- 
ziplinarische Ahndung nicht aus, weil sie nicht weiter geht, als bis zur 
Dienstentlassung. Es tritt dann die öffentliche, strafrechtliche Verfolgung 
ein. Sie ist aber nur dann möglich, wenn sie im Reichsstrafgesetzbuch 
vorgesehen ist, wenn also der Beamte gegen einen der Paragraphen 
verstößt, die im Strafgesetzbuch unter der Überschrift „Verbrechen und 
Vergehen im Amte in den §§ 331—359“ zusammengestellt sind. 
Wenn man von einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Verletzung 
der Amtsverschwiegenheit spricht, so denkt man gewöhnlich in erster 
Linie an den § 353" St G., den sogenannten „Arnimparagraphen“, 
eine Bestimmung, die erst durch die Novelle von 1876 geschaffen wurde. 
Die Geheimhaltung dessen, was dem Beamten amtlich zur Kenntnis 
kommt und Gegenstand des Amtsgeheimnisses ist, ist eine allgemeine 
Amtspflicht, deren Verletzung durch das Disziplinarverfahren gewöhn- 
lich hinreichend geahndet werden kann. Denn eine Gefährdung der 
Interessen anderer, wie sie z. B. bei der Rechtsbeugung geschieht, ist 
nicht leicht möglich. Daher hatte man in dem Text des Strafgesetz- 
buches von 1870 keine besondere Vorschrift über die Amtsverschwiegen- 
heit aufgenommen. Das wurde anders, als Graf Harry v. Arnim, 
der Botschafter in Paris, mit dem Fürsten Bismarck in Konflikt geriet. 
Er veröffentlichte mehrere Aktenstücke zur Kirchenpolitik. Als später, 
nach Arnims Entlassung, im Archiv der deutschen Botschaft in Paris 
Aktenstücke vermißt wurden, erhob man gegen den Grafen Arnim An- 
klage. Er wurde wegen vorsätzlicher Beiseiteschaffung amtlicher Urkunden 
gemäß § 348 Abs. 2 StGB. verurteilt. Aber zugleich wurde das 
Strafgesetzbuch geändert. Der neu eingefügte § 3534 bestraft, um den 
diplomatischen Gehorsam zu schärfen, denjenigen Beamten im Dienst des 
Auswärtigen Amts mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe 
bis zu 5000 M., der die Amtsverschwiegenheit verletzt entweder dadurch, 
daß er ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftstücke wider- 
rechtlich einem anderen mitteilt oder veröffentlicht oder dadurch, daß er 
dritte widerrechtlich von den schriftlichen oder mündlichen Anweisungen 
seines Vorgesetzten in Kenntnis setzt, sei es wörtlich, sei es inhaltlich. 
Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, daß nicht 
nach anderen Paragraphen eine schwerere Strafe verwirkt ist, so wenn 
der Beamte Geschenke annimmt oder sich andere Vorteile sichert, also 
der Tatbestand der Bestechung nach § 332 St#B. vorliegt. Täter 
kann — das ist bei dem Absatz 1 des § 3534 zu beachten — jeder 
Beamte im Dienste des Auswärtigen Amtes sein, also nicht nur die 
Beamten im Auswärtigen Amt selbst, sondern auch die bei den Ge- 
sandtschaften und Konsulaten des Deutschen Reiches, nicht aber der 
deutschen Einzelstaaten. Ob fahrlässige Verletzung der Amts- 
verschwiegenheit genügend ist, oder ob Vorsatz hinzukommen muß, ist 
streitig, desgleichen, ob der Täter die Eigenschaft als Beamter im Augen- 
blick der Begehung haben muß, oder ob auch nachträgliche Indiskretionen 
früherer Beamter unter den § 353, fallen.
	        
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