Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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Protestantismus. Das wird auch vom streng wissenschaftlichen Standpunkt 
aus nicht von vornherein verworfen werden können. Mit dem Kirchenrecht 
ist es ja eine ganz eigene Sache. Nur ein unkirchlicher Schriftsteller wird 
hier ganz frei seinem Stoffe gegenüber stehen. Ob er aber dann geeignet 
wäre, ihm gerecht zu werden, ist die Frage. Ein kirchlich gesinnter verliert 
zwar, wie die Dinge einmal sind, sofort die volle Unparteilichkeit. Das wird 
man in den Kauf nehmen müssen. Es ist ja Brauch, hier bei den Litteratur- 
angaben ganz unbefangen katholische und protestantische Verfasser zu unter- 
scheiden, so sehr setzt man voraus, dass dies für die Art, wie der Stoff be- 
handelt wird, nicht gleichgiltig sei. Unter dem Einfluss der historischen 
Schule hat man sich redlich bemüht, den Mantel der Objektivität über diese 
Gegensätze zu breiten. Im vorliegenden Falle wird darauf verzichtet. Der 
Verf. giebt geradezu ein Handbuch protestantischer Polemik für alles, was 
mit kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Fragen zusammenhängt, und 
hat sichtlich eine Freude daran, den Gegner, den Katholizismus, recht 
scharf zu treffen. In manchem geht er dabei wohl zu weit, so z. B. wenn 
er sogar den elenden Hödel den Jesuiten an die Rockschösse hängen will 
(S. 50). 
Das alles ist mehr äusserlicher Natur. Der Hinblick auf sein theologi- 
sches Publikum leitet den Verf. aber auch in der Art, wie er die Rechts- 
ideen selbst zum Ausdruck bringt. Diese erhalten einen religiösen Anstrich. 
Das Religiöse muss selbstverständlich hier den Boden geben, auf welchem 
alle juristischen Erscheinungen stehen. Man kann so wenig ein Kirchen- 
recht schreiben, ohne die Dogmen der Kirche zu berücksichtigen, wie ein 
Handelsrecht, ohne etwas vom Handelsverkehr zu wissen. Gegen die zahl- 
reichen Citate aus der heiligen Schrift würden wir deshalb nichts einzu- 
wenden haben. Bemerkenswert scheint uns nur, dass das Juristische hier in 
besonders engen Zusammenhang mit dem Religiösen gebracht wird; es geht 
unmittelbar aus diesem hervor als sein Erzeugnis oder steht mit seinen Ord- 
nungen geradezu in einer Reihe damit. Um ein Beispiel zu geben: das 
vierte Buch behandelt „die Verwaltung der Kirche“, gemeinsam für Katho- 
liken und Protestanten; Kap. II „das Aemterwesen* $ 73 ist dann über- 
schrieben „die Stellenbesetzung“. Hier erscheinen denn folgende Stufen: 
Christus bestellte seine Jünger nur durch sein Wort. Im apostolischen und 
nachapostolischen Zeitalter werden die Kleriker durch das Volk gewählt. 
In der mittelalterlichen Kirche ist die Ernennung ein Recht der Bischöfe. 
Die Reformatoren sind wieder für die Wahl u. s. w. Hat Christus wirklich 
Aemter geschaffen und Stellen besetzt? Bei dieser Anknüpfungsweise sieht 
es so aus. Man würde dem Verf. unrecht thun, wenn man sagen wollte, er 
habe diese Zusammenstellung nicht ernsthaft gemeint. Er sagt schon S, 55: 
„Das erste Amt‘ (der örtlichen Gemeindeverfassung) ist das von Christus 
unmittelbar eingesetzte der Apostel.“ Es steckt in der That eine juristische 
Grundauffassung dahinter, Er kennt für beide Kirchen ein „jus divinum“ ;
	        
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