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als psychologisches Faktum in der Rechtssoziologie. Ob Groß-,
Klein- und Weißrussen, Serben, Kroaten und Slowenen heute je
ein „Volk“ oder je drei, ob Tschechen und Slowaken ein Volk oder
zwei Völker sind, darüber kann eine „objektive“ Aussage, der
jedermann logisch gezwungen wäre zuzustimmen, nicht gemacht
werden. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren, besonders
wenn man kombinierte Begriffe, wie etwa die „Einheit“ oder
die „Autarkie“ eines „ Wirtschaftsgebietes*, heranzieht. Wie viel’
Subjektivität in den soziologischen Theorien enthalten ist, kann
in höchst lehrreicher Weise aus MENZEL, Naturrecht und Sozio-
logie, Wien, 1912, (bes. S. 24 ff., 56 ff.), entnommen werden.
Man muß bei allen Sozialtheorien, was nicht immer geschieht,
scharf zwischen behaupteten Kausalzusammenhängen und be-
haupteten Denkgesetzen, zwischen ursächlicher und logischer Not-
wendigkeit unterscheiden. Die ersteren haben nur in bezug auf
eine konkrete Wirklichkeit Sinn und müssen sich an dieser be-
währen. Die letzteren beanspruchen, wie die Sätze der Mathe-
matik, Geltung kraft eigenen Rechtes unabhängig von ihrer Ver-
wirklichung in einem konkreten Fall.
Was die Sätze der ersten Art anbelangt, so ist der subjektive
Einschlag, der ihnen in den Gesellschaftswissenschaften im Gegen-
satz zu den Naturwissenschaften anhaftet, dadurch bedingt, daß
hier die menschliche Psyche als Ursache miteingestellt ist. Niemand
kann allgemeingültig, mit mathematischer Evidenz, voraussagen,
wie Menschen handeln werden. Man muß hypothetische Annahmen
über das Subjektivste, Individuellste, Irrationalste machen. Diese
Annahmen sind daher selbst subjektiv bedingt. Davon kann man
sich leicht überzeugen, wenn man sich vergegenwärtigt, was alles
aus den Theorien vom Assoziationstrieb (L&ov roAttıxdv), vom
Erwerbstrieb, aus der organischen Staatsauffassung, aus den Lehren
DARwINs oder MArx’ an Sozialtheorien von vermeintlicher:natur-
gesetzlicher Exaktheit gefolgert worden ist.
Dagegen behaupten bekanntlich sehr bedeutende Vertreter