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sistorien (in Paris, Bordeaux, St-Esprit [Dep.
Basses-Pyrênées) und Lyon), 57 Oberrabbiner
und Rabbiner untergeordnet sind.
Auf dem Gebiete des Unterrichtswesens
sind unter der dritten Republik große Verände-
rungen vor sich gegangen. Für die Hebung der
Volksschule, für die bis zur großen Revolution
nichts geschehen, war erst das Juli-Königtum ernst-
lich tätig (1840 zählte man bereits 33.099 Ge-
meindeschulen). Das zweite Kaiserreich gab den
Gemeinden das Recht, zwischen Ordensleuten und
weltlichen Lehrern zu wählen: 1871 wurden von
71574 Volksschulen 19 890 von Ordensleuten
geleitet, und 1898 waren annähernd 50 000 Brü-
der und Schwestern im Schuldienste tätig. Seit
den Ferryschen Unterrichtsgesetzen (Jan. 1880)
hat die dritte Republik den von ihr aufgestellten
Grundsatz der vollständigen Verweltlichung (lai-
cisation) der Volksschule trotz der ungeheuern
Kosten durchzuführen gesucht. Am 16. Juni 1881
wurde der Primärunterricht für unentgeltlich er-
klärt, 28. März 1882 in Frankreich der Schul-
zwang vom vollendeten 6. bis zum zurückgelegten
13. Jahre eingeführt. Das Gesetz vom 28. Okt.
1886 verpflichtete jede Gemeinde, wenigstens eine
Schule zu unterhalten, an der nur Laien unter-
richten, beseitigte das Aufsichtsrecht der Pfarrer
und den Religionsunterricht in den Schulen von
Amts wegen, gestattete aber den religiösen Orden,
„freie Schulen" zu errichten unter der Bedingung,
daß die Lehrer derselben eine staatliche Prüfung
bestanden hätten. Gegen die Lehrtätigkeit der
religiösen Gemeinschaften vor allem richtete sich
dann seit 1900 die radikale Gesetzgebung. Am
Ende des Schuljahres 1904/05 besaß das Land
66 330 öffentliche und 10 660 private ecoles
laiques primaires é-émentaires et supérieures
mit 56 300 und 6200 Lehrern bzw. 52 800 und
20 600 Lehrerinnen, 2367 476 bzw. 250 664
Schülern und 1967 178 bzw. 457 703 Schüler-
innen, ferner 793 öffentliche und 2705 private
Schulen religiöser Gemeinschaften mit 1391 und
8653 Lehrerinnen bzw. 2662 Lehrern, 3553 bzw.
105 251 Schülern und 162 953 bzw. 227 618
Schülerinnen. Seit 1902 begann die gewaltsame
Schließung der freien Schulen (1902 allein 5800),
7. Juli 1904 folgte das Gesetz, das allen, auch
den autorisierten Kongregationen, die Lehrtätigkeit
untersagte. 1904 waren fast 16 000 freie Schulen
unterdrückt. — Für Heranbildung der Lehrkräfte
sorgen die Normalschulen (nach dem Gesetze von
1886 in jedem Departement je eine für Lehrer
und Lehrerinnen). 1905 konnten von den Rekruten
weder lesen noch schreiben 3,46% „ nur lesen
1,13 % . Dem Unterrichtsminister steht ein aus
Laien zusammengesetzter Unterrichtsrat (conseil
supérieur de l’instruction publique) zur Seite.
Die Unterrichtsverwaltung in den Provinzen be-
sorgen 17 Akademien, an deren Spitze ein Rektor
steht; von ihnen ressortieren die Departements-
unterrichtsräte unter Leitung der Präfekten.
Frankreich.
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Für den mittleren oder Sekundär-Unterricht
sorgen die vom Staate errichteten Lyzeen, die von
den Gemeinden mit Staatszuschuß unterhaltenen
Colléges und freie Lehranstalten (stablissements
libres). Zur Heranbildung von Lehrern besteht
eine höhere Normalschule zu Paris und eine für
realistischen Unterricht in Cluny. Auf Grund des
Gesetzes vom 21. Dez. 1880 wurden auch für
Mädchen Lyzeen und Colléges organisiert. Zur
Ausbildung geeigneter Lehrkräfte dient eine An-
stalt zu Sevres. Die Lyzeen (1907: 110) zählten
59 783, die Colléges (229) 36 679 Schüler, die
47 Mädchenlyzeen 16 760, die Mädchencolléges
10 144, außerdem 63 Sekundarkurse 7358.
Schülerinnen. Die freien Lehranstalten (1907:
273 weltliche, 336 geistliche) hatten 21 248 bzw.
43 327 Schüler. Universitäten gibt es in Frank-
reich, seitdem die durch Gesetz vom 28. April
1893 errichteten corps de faculté seit 1896
Universitäten genannt werden, insgesamt 16 mit
(1907) 38000 Studenten. Zu den medizinischen
und pharmazeutischen Schulen an den Universi-
täten kommen noch 7 weitere an andern Orten.
Katholisch--theologische Staatsfakultäten gibt es
nicht, wohl aber protestantische in Paris (für beide
protestantische Bekenntnisse) und Montauban (für
die Reformierten).
Katholische freie Fakultäten bestehen in Paris,
Angers, Lille, Lyon und Toulouse. Als höhere
Lehranstalten sind auch zu betrachten: das Collège
de France (gegründet 1530) und die praktische
Schule für die höheren Studien in 5 Sektionen,
das Musce d’histoire naturelle, die Ecole des
chartes, die vier Pariser technischen Hochschulen
(die polytechnische Schule, die Zentralschule für
Künste und Manufakturen, die Schule für Brücken-
und Straßenbau und die Spezialschule für Archi-
tektur), die technischen Hochschulen in Grenoble,
Marseille, Luon und Nanch, die Hochschule zu
Chambery und die Ecole normale supérieure
in Paris. Von den Fach= und Speziallehranstalten
(38 fachliche Hochschulen) sind ferner erwähnens-
wert: 83 römisch-katholische Priesterseminare,
6 Nationalschulen der schönen Künste (zu Paris,
Lyon, Dijon, Limoges, Nizza und Bourges),
1 Nationalschule der dekorativen Künste und
1 Nationalkonservatorium für Musik und Dekla-
mation (beide in Paris), 1 Konservatorium der
Künste und Gewerbe, 1 Nationalinstitut für
Ackerbau in Paris und die forstliche National-
schule zu Nancy (beide Hochschulen) u. dal.
Von den gelehrten Gesellschaften ist die be-
kannteste das Institut de France; außerdem be-
sitzt Paris eine Akademie der Arzneiwissenschaften
in 11 Sektionen, eine orientalische, 5 geogra-
phische usw. Gesellschaften. Bibliotheken besitzt
Frankreich außer denen der Hochschulen, Museen
und gelehrten Gesellschaften an 170, große jedoch
infolge der herrschenden Zentralisation fast nur
in Paris, wie die Bibliothéque Mazarin, Ste-
Geneviéve und die berühmte Nationalbibliothek