381
gewöhnlich mittels Unterschreibens der Eidesformel,
in welche die Eidesnorm aufgenommen ist. Ferner
sind sie von allen Staatssteuern und Abgaben be-
reit; in Bahern sind sie frei von der Einkommen-
steuer, ebenso genießen ihre Schloßgebäude Haus-
steuerfreiheit, sie sind dagegen nicht von der
Grundsteuer befreit, ebensowenig wie ihre zum
Erwerb bestimmten Gebäude. Ferner sind sie frei
von der Wehrpflicht und von der Quartierlast.
In Baden z. B. sind die Kapitalrentensteuerkapi-
talien und die Steueranschläge aus dem Einkom-
men des großherzoglichen Hauses, ferner die
Steuerkapitalien ihrer Schlösser und Gärten von
Staatssteuern wie vom Beizug zur Gemeindebe-
steuerung frei; ebenso sind ihre Gebäude, soweit
sie zu ihrem Wohnsitz bestimmt sind, von der
Quartierpflicht befreit.
Über die Vorrechte, die den mediatisierten
Familien heute noch zukommen, siehe d. Art.
Ebenbürtigkeit und Standesherren.
Die Hausgesetze der regierenden deutschen Für-
stenhäuser hat H. Schulze veröffentlicht (3 Bde,
1862/83). Eine Anzahl derselben sind bereits im
Texte dieses Artikels erwähnt worden. Doch möge
unter den derartigen Festsetzungen auch der Prag-
matischen Sanktion Erwähnung geschehen, die,
am 19. April 1713 abgefaßt, im Jahre 1720 von
den österreichischen und schlesischen, 1722 von den
ungarischen, 1723 von den böhmischen und 1724
von den niederländischen Ständen angenommen
wurde. Unter den Hausgesetzen des preußischen
Königshauses ist das älteste das Testament des
Kurfürsten Friedrich I. vom „Freitag nach St Boni-
facii 1437“, dem verschiedene andere gefolgt sind.
Literatur. J. F. W. de Neumann, Medita-
tiones jur. princ. priv. I—IX (Frankf. a. M.
1751/56); J. J. Moser, Familienstaatsrecht der
deutschen Reichsstände (2 Tle, Frankf. u. Leipzig
1775); J. St. Pütter, Primae lineae iuris privati
Principum, speciatim Germaniae (Göttingen
1789); A. W. Heffter, Beiträge zum deutschen
Staats= u. Fürstenrecht (1829); A. Bauer, Bei-
träge zum deutschen Privatfürstenrecht (1839);
Goenner, Deutsch. Staatsrecht (2 Tle, 1805; H. A.
Zachariä, Deutsches Staats= u. Bundesrecht (21866)
§ 63 ff. Unter den neueren Werken über Staats-
Gallikanismus.
382
gemeine Staatsrecht (11863) 8§ 211/268; Heffter,
Die Sonderrechte der souveränen und mediatisierten
vormals reichsständischen Häuser Deutschlands
(1871); Hermann Schulze, Die Hausgesetze der re-
gierenden deutsch. Fürstenhäuser (3 Bde, 1862/82);
Pütter, Lit. des Teutschen Staatsrechts III (Göt-
tingen 1783) 739; G. Beseler, Die Lehre von den
Erbverträgen (3 Bde, 1835/40); R. v. Mohl, Gesch.
u. Lit. der Staatswissenschaften II 300 ff; Her-
mann Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den
deutschen Fürstenhäusern u. seine Bedeutung für die
deutsche Staatsentwicklung (1851); ders., Thron-
folge u. Familienrecht der ältesten german. Königs-
geschlechter, in der Zeitschrift für Rechtsgesch. VII
(1868) 323 f 402; ders., Das Erb= u. Familien-
recht der deutschen Dynastien des Mittelalters. Ein
Beitrag zur Gesch. des deutschen Fürstenrechts
(1871); ders., Gutachten über die Thronfolge im
Kar. Portugal (Aus der Praxis des Staats= u.
Privatrechts [I18761] Nr IV, S. 169 f); derf., Das
preuß. Staatsrecht 1 (21888); ders., Lehrb. des deut-
schen Staatsrechts 1 (1881); ders., Das deutsche
Fürstenrecht in seiner geschichtl. Entwicklung u. ge-
genwärtigen Bedeutung, in Holtzendorffs Enzyklo-
pädie der Rechtswissenschaft I (561900), 1349 ff; J.
Ficker, Vom Reichsfürstenstande 1I (1861); Auf-
sätze von Treitschke in Bluntschlis Staatswörterb.
II u. III, ebendort X 518 von Hermann Schulze
Art. „Thronfolge“; A. Hänel, Deutsches Staats-
recht 1 (1892); G. Meyer, Lehrbuch des deutschen
Staatsrechts ((1905 hrsg. von Anschütz); O. Gierke,
Die jurist. Persönlichkeit des hochadeligen Hauses,
in Grünhuts Zeitschrift für deutsches Privat= u.
öffentliches Recht der Gegenwart V 557/600; G.
Anschütz, Deutsches Staatsrecht, in Holtzendorffs
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft II (1904)
449 ff; R. Schröder, Lehrb. der deutschen Rechts-
gesch. ((1907); H. Brunner, Deutsche Rechtsgesch.
1 (21906); ders., Quellen u. Gesch. des deutschen
Rechts, in Holtzendorffs Enzyklopädie der Rechts-
wissenschaft 1 (/1904) 171 ff; M. v. Seydel, Bayr.
Staatsrecht 1 (21895); O. v. Sarwey, Das Staats-
recht des Kgr. Württemberg 1 (1883); F. Wielandt,
Das Staatsrecht des Großhzgt. Baden (1895); W.
Schücking, Der Staat u. die Agnaten (1902); L.
v. Rönne, Das Staatsrecht der preuß. Monarchie
1 (61899); K. Cosack, Das Staatsrecht des Eroß-
hägt. Hessen (1894); H. Rehm, Modernes Fürsten-
recht (1904); derf., Prädikats= u. Titelrecht der
deutschen Standesherren (1905); derf., Die über-
staatliche Rechtsstellung der deutschen Dynastien
recht: O. Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsr. (1907
(21884); H. Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deut-
schen Staatsrechts mit bes. Rücksicht auf das all-
J.
[E. Baumgartner; III3, III7—9 Kämpfe, rev.
E. Baumgartner.)
G.
Gallikanismus nennt man das staats-
kirchliche System, durch welches zunächst in Frank-
reich die Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt
vom Papsttum durchgeführt, der päpstliche Primat
auf kirchlichem Gebiete beseitigt, die päpstliche
Unfehlbarkeit geleugnet und eine formell zwar
nicht schismatische, faktisch aber von Rom nahezu
unabhängige gallikanische Nationalkirche geschaffen
werden sollte. Verschieden hiervon sind die „gal-
likanischen Freiheiten“, welche nicht ledig-
lich Lehre, sondern lebendige Wirklichkeit dar-
stellen, als Gesetz auftreten.
Das gallikanische System beruht auf den Prin-
zipien des Territorialismus, welcher das Papal=