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schaften ist ein besonderes, fortdauerndes Interesse,
welches den Beteiligten ein gemeinschaftliches Ziel
des Wollens und Handelns, ein durch gemein-
schaftliche Vorteile genährtes Solidaritätsbewußt-
sein gibt und damit gleiche Sitten und überein-
stimmende Lebensanschauungen hervorruft. Im
Laufe der Entwicklung erlangen viele dieser Eini-
gungen die Gestalt mehr oder weniger ausgebildeter
Organismen, die durch gemeinsame Zwecke ge-
bildet, durch die Geschichte gefestigt, durch Sitte
und Recht ausgestaltet sind.
Mit dem Worte Gesellschaft bezeichnet man also
zunächst sowohl die Vereinigung mehrerer zu einem
gemeinsamen Zwecke (in Gesellschaft treten) als
auch eine Gesamtheit bereits vereinigter Personen.
Gesellschaft heißt ferner auch die Zusammenfassung
der gesellschaftlichen Gestaltungen, der Inbegriff
aller innerhalb eines bestimmten Umkreises tat-
sächlich bestehenden menschlichen Vereinigungen
und überhaupt gesellschaftlichen Beziehungen. Aus
diesem menschlichen Gemeinschaftsleben ragt jedoch
die oberste öffentliche Gewalt, die Obrigkeit, der
Staat, so sehr empor, hat so sehr selbständige
Behandlung erfahren, daß vielfach nur das nicht
unmittelbar staatliche Gemeinschaftsleben, also
alles, was auf das Zusammenwirken der auf dem
Gesetz der Arbeitsteilung beruhenden Volksschichten
sich bezieht, alles, was nicht (unmittelbar) durch
die Staatsgewalt hervorgebracht wird, was von
der Tätigkeit des Volkes ausgehen kann, Gesell-
schaft genannt wird. Umgekehrt wird unter Ge-
sellschaft mitunter auch, über den Staat hinaus-
gehend, die menschliche Gesellschaft, die Mensch-
heit als ein sich geschichtlich entwickelndes, be-
sondern Gesetzen folgendes Ganze verstanden.
II. Arten von Gesellschaften. 1. Die be-
stehenden besondern Gesellschaften lassen sich sachlich
nach dem Gesichtspunkte des verfolgten Zweckes
anordnen. Sie können aber auch äußerlich, je
nach der in ihnen herrschenden größeren oder ge-
ringeren Ordnung, ins Auge gefaßt werden. Da
der gemeinsame Zweck durch gemeinsame Tätig-
keit erreicht werden soll, so muß bei irgend ent-
wickelteren Gesellschaften (im Unterschiede von
bloßen Ansätzen zu solchen) ein geordnetes Zu-
sammenwirken stattfinden; diese Ordnung, diese
gesellschaftliche Uber= und Unterordnung ist be-
dingt durch gegenseitige Rechte und Pflichten der
Mitglieder. Ein einheitlicher Wille muß an der
Spitze stehen, das Wollen aller, soweit es zur
Erreichung des Zweckes erforderlich, zusammen-
fassen; ihm müssen die Glieder der Gesellschaft in
Beziehung auf die gesellschaftlichen Zwecke unter-
geordnet sein. Außer jener rechtlichen Gewalt,
welche die Befugnis hat, die Gesellschaftsglieder
zum Gesellschaftszweck hinzuleiten, müssen noch
Anordnungen vorhanden sein, Satzungen über
die Art und Weise, wie die Gesellschaftsglieder in der
Richtung zum Gesellschaftszwecke tätig sein müssen.
Neben den voll entwickelten Gesellschaften kann
es aber auch schwach ausgebildete Vereinigungen,
Gesellschaft usw.
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lose Zusammenhänge geben; ja eine gewisse Ge-
sellung, eine Gleichheit der Willensrichtung liegt
schon vor, wenn mehrere einzelne einem gemein-
samen Zwecke zustreben. Der Übergang vom
bloßen Verkehr (Güter= und Meinungsaustausch)
zu entwickelten (dauernden) Gesellschaftsformen ist
ein unmerklicher, der ganze Gegensatz zwischen dem,
was dem kurzfristigen Verkehr überlassen, und
dem, wofür durch dauernde Einrichtungen gesorgt
wird, ist ein rechtsgeschichtlich bedingter. Gewöhn=
lich ist es der Hinzutritt der Zeit, der Dauer (oder
großer Ausdehnung), was vorübergehende An-
näherungen zum Range gesellschaftlicher oder doch
gesellschaftsähnlicher Gestaltungen erhebt.
Unter den eine entwickeltere Gesellschaftsform
anzeigenden Begriffen ist ein wichtiger Begriff der
des Standes. Der Stand gibt die Stellung
des einzelnen zur Gesamtheit an, die Stellung,
welche eine Person in der bürgerlichen Gesellschaft
einnimmt. Das Wort bezeichnet ferner die Ge-
samtheit der Personen, welche durch Geburt oder
Wahl, durch Gleichheit der Beschäftigung, des
Berufs und der Stellung im Berufe, durch Gleich-
heit oder Gleichartigkeit des Vermögens, Gleich-
heit der Anlagen und Neigungen die Förderung
eines und desselben Zweckes anstreben und infolge
dieser Gemeinschaft eine gleiche oder ähnliche Stel-
lung in der bürgerlichen Gesellschaft innehaben.
Die gemeinschaftliche Lebensaufgabe, die Gleich-
heit der Beschäftigung erzeugt Gleichheit der In-
teressen, Gleichförmigkeit der Denkart, der Bil-
dung und in mancher Beziehung gemeinschaft-
liche Zustände.
Der Begriff Stand war eine Zeitlang be-
schränkt auf jene vier Stände, welche in den sog.
ständischen Verfassungen ihre Vertretung fanden,
auch dann noch, als in der Zeit des Absolutismus
durch Hervortreten von Heerwesen und Beamten-
tum, durch Erhebung einzelner zu großen Wür-
den, endlich durch Teilnahme von Gliedern aller
Stände an der Staatsverwaltung die Stände
unter sich verschmolzen und der Begriff des Stan-
des dem des Ranges nähertrat. Jetzt ist Stand
ein Gattungsbegriff für Beschäftigungen, ja er
ist ein so weiter, daß auch in das Gebiet der
Familie einschlagende menschliche Zustände damit
bezeichnet werden: Zivilstand, Personenstand,
Ehestand, Standeswahl. Am häufigsten aller-
dings versteht man unter Stand die Verbindung
der Berufsgenossen zur Wahrung ihrer besondern
Interessen.
In den seltensten Fällen sehen wir im Stande
ein bloßes Nebeneinander; hie und da begnügt
man sich mit Wahrung der Interessen im ein-
zelnen Falle, sehr oft führt das Standesbewußt-
sein zu fester Organisation. Die Summe der
Vorschriften über Rechte und Pflichten der Mit-
glieder heißt Standesrecht. Auch mit Observanz
oder Herkommen wird gerne jenes Gewohnheits-
recht bezeichnet, welches sich im Kreise der Ge-
nossen eines bestimmten Standes oder Berufes