Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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bergs Handbuch I"; A. Wagner, Grundlegung II 
(/1892), § 155 ff; W. Roscher, System der Volks- 
wirtschaft 1 (291900) 439 ff; E. v. Philippovich, 
Grundriß der polit. Okonomie 1 ((1901) 288 ff; 
H. Pesch, Lehrbuch der Nationalökonomie 1 (1905) 
200 ff; Franz Oppenheimer, David Ricardos 
G.ntheorie (1909). [H. Koch 8. J.] 
Grundschuld s. Grundlasten (Sp. 940 ff). 
Grund= und Gebäudesteuer. Die 
Grundsteuer und die Gebäudesteuer erscheinen beide 
als Ertragssteuern. Es scheint, daß in allen Staa- 
ten die Steuer vom Grundvermögen eine der 
ältesten, wenn nicht die älteste Steuer war. Es 
war dies aber keine Grundsteuer im heutigen 
Sinne, sondern eine Vermögenssteuer, für deren 
Verteilung der Grundbesitz als vornehmster Be- 
standteil des Vermögens den Maßstab hergab. 
Im weiteren Fortgange des Steuerwesens erhielt 
aber diese Steuer mehr und mehr die Eigenschaften 
der Grundsteuer, und zwar als erst ausgebildete 
unter den Ertragssteuern. War früher der Grund- 
besitz für die Beurteilung der Steuerfähigkeit des 
Eigentümers maßgebend, so wird später der 
Grundbesitz hinsichtlich seiner Steuerfähigkeit ge- 
wissermaßen losgelöst von derjenigen des jewei- 
ligen Besitzers und die Steuer nach dem objektiven 
Ertrage des Grundbesitzes eingeschätzt, nicht nach 
dem subjektiven Einkommen des Besitzers. Nur 
die Hervorbringungskosten, Arbeitslohn und Ver- 
zinsung des Betriebskapitals, bei Häusern Ver- 
zinsung der Bau= und laufenden Unterhaltungs- 
kosten, kommen in Abzug von dem Rohertrage, 
um den steuerpflichtigen Ertrag zu finden, nicht 
aber die Schulden, welche der Besitzer zu verzinsen 
hat, weil er mit fremdem Kapital gekauft, gebaut 
hat, oder weil er fremdes Kapital zum Betriebe 
aufgenommen hat. Die Grundsteuer wird eine 
Art Reallast, gewissermaßen eine dingliche Last, 
welche z. B. mit dem Verkaufe übergeht auf den 
neuen Besitzer. Daß Grund= und Hausbesitz 
überall ein beliebter Gegenstand der Besteuerung 
sind, erklärt sich einmal aus der geschichtlichen Ent- 
wicklung des Besitzes überhaupt, indem Grund- 
besitz die vornehmste Art des Vermögens war, 
dann wohl auch dadurch, daß dieses Steuerobjekt 
im Vergleich mit dem beweglichen Kapital stets 
faßbar ist, nicht auswandern kann, daß man sich 
daher auch wegen der Leistung im einzelnen immer 
an den Gegenstand der Besteuerung halten kann. 
Die vielen Steuerbefreiungen früherer 
Zeiten sind allenthalben beschränkt. Wo solche 
noch vorkommen, beziehen sie sich auf Grund und 
Gebäude im Besitz des Reiches und des Staates, 
zum öffentlichen Gebrauch bestimmte Liegenschaf- 
ten der politischen Kommunalverbände, die zum 
öffentlichen Gebrauch bestimmten Verkehrsanlagen. 
Deichanlagen der Deichverbände, Liegenschaften 
und Gebäude der Kirchen, Schulen, höheren Lehr- 
anstalten, der zur Unterhaltung derselben be- 
stimmten Fonds, der milden Stiftungen sowie der 
zur Dotation von Geistlichen, Dienern des öffent- 
Grundschuld — Grund--= und Gebäudesteuer. 
  
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lichen Kultus und Lehrern an öffentlichen Schulen 
und höheren Lehranstalten. 
I. Die Grundstener im eigentlichen Sinn er- 
streckt sich auf alle land= und forstwirtschaftlich be- 
nutzten oder wenigstens benutzbaren Grundstücke, 
die Oberflächen bei Berg= und Hüttenwerken, auf 
Kalk= und Steinbrüche usw., Teiche und für Ge- 
werke bestimmte Gewässer. Dem Wesen der Steuer 
entsprechend geht das Ziel dahin, den Ertrag der 
Grundstücke zu treffen. Vielfach im Gebrauch war 
der Zehnt, welcher unmittelbar vom tatsächlichen 
Rohertrage geleistet wurde. Die Höhe dieser Ab- 
gabe blieb verhältnismäßig gleich; sie betrug immer 
einen bestimmten Teil der Ernte. Wie hoch aber 
dieser Teil im einzelnen sich stellte, war vom je- 
weiligen Ertrag des Ganzen abhängig. Dies sind 
scheinbare Vorteile. Ihnen steht aber in steuerlicher 
Hinsicht die große Ungerechtigkeit gegenüber, daß 
man gar nicht nach dem Reinertrage fragt, daß 
daher ein Grundstück, welches überhaupt keinen 
solchen abwirft, trotzdem mit dem zehnten Teil 
seines Rohertrages besteuert ist, gleichviel, wie 
hoch die Hervorbringungskosten sich gestalten. Alle 
andern Arten der Feststellung des Ertrags beruhen 
auf eingehenden Vorarbeiten, deren Umständlich- 
keit und Kostspieligkeit von sehr großem Einfluß 
auf die Gestaltung der Grundsteuer naturgemäß 
sein muß. 
Die erste Arbeit ist die Vermessung (Fest- 
stellung der Flächen nach Lage und Größe), die 
allerdings nicht allein den Zwecken der Besteuerung 
dient, sondern auch der allgemeinen Landeskunde, 
den militärischen Interessen, der Sicherstellung 
des Besitzes, der Grundlage für hypothekarische 
Beleihungen usw. An die Vermessung schließt sich, 
zu deren Nutzbarmachung, die Kartierung an; 
die einzelnen Grundstücke werden auf Karten er- 
sichtlich gemacht. Die Vermessung kann mit Ge- 
nauigkeit nur geschehen, wenn die allgemeine 
Landesaufnahme vorhergegangen ist. 
Wenn bisher die Arbeit zwar langwierig und 
kostspielig, aber doch mit mathematischer Genauig- 
keit durchgeführt werden konnte, so tritt nun die 
Hauptschwierigkeit ein: die Katastrierung, oder 
genauer gesagt, die Ergänzung der bloßen Fest- 
stellung der Flächen nach ihrem räumlichen Um- 
fange durch die Schätzung der Ertragsfähigkeit 
behufs Schaffung des Katasters (Ertrags- 
kataster), welcher über alle bezüglichen Fragen 
Auskunft zu geben hat. Die Schätzung des Bodens 
nach seiner Beschaffenheit (Bonitierung) ist 
zweifelsohne sehr schwierig. Würde ein und der- 
elbe Abschätzer alle Grundstücke zu prüfen haben, 
o würde wenigstens eine gewisse Gleichmäßigkeit 
hinsichtlich der praktischen Folge, der Höhe der 
Grundsteuer, eintreten. Es ist aber durch die 
Natur der Sache geboten, daß gleichzeitig an 
vielen Orten eingeschätzt wird, wodurch trotz aller 
Bemühungen, nach gemeinschaftlichen Gesichts- 
punkten, nach gleichartigen Grundsätzen zu ver- 
fahren, ganz erhebliche Ungleichheiten sich stets 
 
	        
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