Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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herausstellen werden. Diese Einschätzung kann in 
verschiedener Art erfolgen. Geht man von der 
genauen Vermessung und Bonitierung der ein- 
zelnen Parzellen, welche einem Grundbesitzer ge- 
hören, also von einem Parzellenkataster, 
aus und schätzt jedes einzelne Steuerobjekt beson- 
ders ab, so werden sich voraussichtlich viele Un- 
gleichheiten ergeben, schon deshalb, weil dieses 
Verfahren mit außerordentlichem Zeitaufwand 
verbunden ist und zur Übereilung verleitet. Ein 
anderes Verfahren ist das auf Grund eines Ge- 
markungskatasters. Man stellt in einer Ge- 
markung (oder einem Gute) die verschiedenen 
Bodenarten fest und umgrenzt dieselben. Es er- 
gibt sich daraus, aus welchen Bodenklassen und 
in welchem Umfange derselben die Gemarkung 
besteht. Die Unterverteilung auf die einzelnen 
Besitzungen hat dann noch zu erfolgen. 
Auf einem andern Gedanken als der Ertrags- 
kataster beruht der Wertkataster. In der An- 
nahme, daß der Kaufpreis durch die Größe des 
Ertrags bedingt werde, bestimmt man unter Zu- 
grundelegung dieses Preises oder auch des Pacht- 
preises den Geldwert der Grundstücke und bemißt 
hiernach die Steuerpflicht. Indes finden regel- 
mäßige häufige Verkäufe von Gütern erfahrungs- 
gemäß nicht statt, anderseits entsprechen die be- 
zahlten Preise keineswegs stets dem wirklichen 
landwirtschaftlichen Ertragswerte der Güter. Über 
die Grundwertsteuer s. unten. 
Preußen zählte bis nach den Freiheitskriegen 
20 Hauptsysteme mit mehr als 100 einzelnen 
Grundsteuerarten. Auch das Abgabengesetz vom 
30. Mai 1820, welches auf andern Gebieten der 
Steuerverfassung grundlegend wirkte, schuf in der 
Grundsteuer noch keine wesentliche Umgestaltung. 
Nur für Rheinland und Westfalen war die unter 
der Fremdherrschaft begonnene Anlegung von Par- 
zellenkatastern durchgeführt und unter dem 21. Jan. 
1839 ein Grundsteuergesetz erlassen worden. Erst 
1861 kamen drei Gesetze zustande, auf welchen die 
ganze neuere Gestaltung der Grundsteuer in Preußen 
beruht. Unter dem 21. Mai 1861 wurden erlassen: 
das Gesetz betreffend die anderweitige Reglung der 
Grundsteuer, das Gesetz betreffend die Einführung 
einer allgemeinen Gebäudesteuer und das Gesetz be- 
treffend die für die Aufhebung der Grundsteuer- 
befreiungen und bevorzugungen zuzuweisenden 
Entschädigungen. Das Grundsteuergesetz setzte den 
Gesamtbetrag der Grundsteuer im damaligen Um- 
fange des Staates auf 10 Mill. Taler fest. Diese 
waren zu verteilen auf die Provinzen nach Grund- 
steuerhauptsummen, innerhalb dieser auf die Kreise, 
die Gemeinden bzw. Gutsbezirke und innerhalb 
dieser auf die einzelnen steuerpflichtigen Liegen- 
schaften. In dieser Kontingentierung der Steuer, 
in dem Charakter der letzteren als Repartitions- 
Grund= und Gebäudesteuer. 
  
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erzielt werden kann; dabei wird vorausgesetzt, daß 
die Wirtschaft ohne Anwendung außerordentlicher 
Hilfsmittel in gemeingewöhnlicher Weise geführt 
wird. Die Feststellung des Reinertrags erfolgt nach 
Kulturarten (Ackerland, Garten, Wiesen usw.) und 
nach innerhalb dieser zu bildenden (höchstens 8) 
Bonitätsklassen. Nach diesen Gesichtspunkten wurde 
für jeden Kreis ein Klassifikationstarif aufgestellt. 
Der Reinertrag wurde nach Morgen in Geld be- 
rechnet und in den Tarif eingetragen. So ergab 
sich für die Kreise der Reinertrag der sämtlichen 
grundsteuerpflichtigen Liegenschaften, durch Zusam- 
menstellung der Kreisergebnisse die Grundsteuer- 
hauptsumme der Provinz, und diese Hauptsummen 
bildeten die Grundlage für die Verteilung des kon- 
tingierten Grundsteuersolls. 
Die Kartierung beschränkte sich auf die Herstel- 
lung von Gemarkungskarten. Auf diesen wurden 
die Grenzen der Kulturarten (Kulturmassen) und 
demnächst, nach der Einschätzung, diejenigen der 
Bonitätsklassen eingetragen. Die Grundsteuer wurde 
seit dem 1. Jan. 1865 erhoben. 
Das Gesetz wurde ausgedehnt auf Schleswig- 
Holstein, Hannover und Hessen-Nassau unter Fest- 
stellung eines Gesamtkontingents von 3200000 
Talern durch Gesetz vom 11. Febr. 1870. Eine in 
einer Zentralstelle (Finanzminister an der Spitze 
der Zentralkommission) zusammenlaufende Organi- 
sation (Generalkommissariate) für je zwei Pro- 
vinzen, Bezirkskommissionen für die Regierungs- 
bezirke, Veranlagungskommissionen für die Kreise) 
sicherte nach Möglichkeit die gleichartige Durchfüh- 
rung. Innerhalb der Kreise wurden dann noch Ein- 
schätzungsbezirke zur Veranlagung der einzelnen 
Liegenschaften gebildet. Trotz der in dem ganzen 
Verfahren herbeigeführten Vereinfachung sind die 
Kosten doch nicht unerhebliche gewesen; sie werden 
für die östlichen Provinzen auf 8,28 Mill. Taler 
(24,84 Mill. A), sohin für die Quadratmeile auf 
2010 Taler angegeben. (In Frankreich wurden bei 
dem Parzellenkataster 1807/50 140 Mill. Francs, 
etwa 3800 Taler für die Quadratmeile, ausgegeben.) 
Durch das Gesetz vom 14. Juli 1893 wurde die 
Grundsteuer als Staatssteuer beseitigt und den 
Gemeinden überlassen. Schon seit einer längeren 
Reihe von Jahren war dies im Interesse einer ge- 
rechteren Verteilung der Steuerlast und zur Vermei- 
dung der Doppelbesteuerung erstrebt worden. Die 
Grundsteuer als Ertragssteuer nimmt keine Rück- 
sicht auf die Schulden. Nur der Betrag der Steuer 
selbst, nicht der besteuerte Ertrag kommt bei der 
Feststellung der einkommensteuerpflichtigen Ein- 
nahmen in Abrechnung; derselbe wird daher von 
beiden Steuern belastet. Durch die Zuschläge bei 
der kommunalen Besteuerung mußten die schon in 
der zugrunde gelegten Staatssteuer enthaltenen 
Ungleichheiten je nach der Höhe der kommunalen 
Zuschläge vermehrfacht werden. Dazu kam, daß die 
schon von Anfang an bestandene Ungleichmäßigkeit 
der Einschätzung, wie solche trotz aller Vorkehrungen 
in der Natur der Sache liegt, durch die Entwick- 
steuer lag die Gewähr, daß keine übermäßige Be= lung des wirtschaftlichen Lebens (man denke nur 
lastung eintreten konnte, und die Möglichkeit, ohne an die Eisenbahnen) noch weit größer geworden ist. 
Einrichtung eines Parzellenkatasters zu Ergebnissen Durch überweisung der Grundsteuer an die kom- 
hinsichtlich der Grundsteuer zu gelangen. Die erste 
Aufgabe war die Ermittlung des Reinertrags der 
Liegenschaften. Als Reinertrag ist anzusehen der 
nach Abzug der Bewirtschaftungskosten vom Roh- 
munalen Verbände sollte die Ungleichmäßigkeit 
innerhalb derselben vermindert und zugleich eine 
Erleichterung der kommunalen Haushalte erzielt 
werden. Daß man die Grundsteuer in allererster 
ertrag verbleibende Üüberschuß, welcher nachhaltig 
Linie ins Auge faßte, lag in deren hohen prozen-
	        
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