Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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tualen Betrage. Während die Einkommensteuer 
mit /2% beginnend bis höchstens 4% steigt, die 
Gewerbesteuer höchstens 1% erreicht, traf die 
Grundsteuer den sog. Katastralreinertrag mit 9 bis 
10 %, was eine Besteuerung des tatsächlichen wirt- 
schaftlichen Reinertrages mit durchschnittlich etwa 
5% , in ungünstigen Jahren aber eine erheblich 
höhere Belastung bedeutete. Eine Abhilfe auf dem 
Wege einer vollständigen langwierigen Revision 
der Grundsteuer zu erzielen, wäre mit außerordent- 
lichen Kosten verknüpft und in absehbarer Zeit doch 
wieder wirkungslos gewesen. 
In Bayerrn ist die Grundsteuer begründet auf 
allgemeine genaue Parzellenvermessung und Er- 
mittlung der Ertragsfähigkeit. Letztere wird in- 
dessen nur für die Mustergründe ermittelt; die an- 
dern Grundstücke werden demgemäß eingeteilt 
(30 Bonitätsklassen). Der Ertrag wird nach dem 
Flächeninhalt und der Naturalertragsfähigkeit 
ermittelt. Es wird ausgegangen vom Ertrage an 
Körnern, Heu usw., und dieser wird in Geld um- 
gerechnet, nachdem alle Früchte nach gesetzlich nor- 
mierten Verhältnissätzen auf Scheffel Korn berech- 
net wurden. Die Klassen werden so gebildet, daß 
mit jedem Achtelscheffel Mehrertrag an Korn eine 
höhere Klasse entsteht. „Die definitive Steuerver- 
hältniszahl ist bei Grundstücken das Produkt aus 
ihrer Fläche in ihre Bonitätsklasse.“ „Ihre Ein- 
heit repräsentiert eine Produktionsfähigkeit von ½ 
cheffel Korn oder einen mitteljährigen Ertrag 
eines Katasterguldens“", indem der Satz für den 
Scheffel auf 8 Gulden (13 5/8 A) durch das Geset 
bestimmt ist (Gesetz vom 15. Aug. 1828 un 
19. Mai 1881). Durch Finanzgesetz wird bestimmt, 
wie viele Pfennige pro Einheit der Steuerverhält- 
niszahl erhoben werden (etwa 8 Pfennig). Die 
im Jahre 1909 in Vorbereitung befindliche große 
Steuerreform läßt im Entwurf die Grundsteuer in 
der Hauptsache unverändert. Die Steuereinheit soll 
jedoch im Steuergesetz selbst festgesetzt werden 
(4 Pfennig). 
Im Königreich Sachsen wurde das grund- 
legende Gesetz vom 9. Sept. 1843 abgeändert durch 
das Gesetz vom 3. Juli 1878. Die Grundsteuer 
wird von dem ermittelten Reinertrag nach Steuer- 
einheiten erhoben; auf je 10 Neugroschen des Rein- 
ertrages wird eine Steuereinheit gelegt; die Grund- 
steuer beträgt 4 Pfennig jährlich von jeder Steuer- 
einheit und ist im allgemeinen unveränderlich. 
Durch das Finanzgesetz von 1886 wurde die halbe 
Grundsteuer an die Schulgemeinden überwiesen. 
In Württemberg ist ein Parzellenkataster 
angelegt. Nach dem Gesetz vom 28. April 1873 
findet die Steuereinschätzung für die einzelnen 
Grundstücke nach Kulturarten und Klassen statt. 
Der Steueranschlag nach Hektar soll dem reinen 
Jahresertrag der Grundstücke gleichkommen: Das 
Steuerkapital für den einzelnen Grundbesitz wird 
durch Anwendung der Ziffer des Steueranschlages 
auf die Fläche des Grundbesitzes gefunden. Vom 
RNohertrag werden der Kulturaufwand und die 
Grundlasten in Abzug gebracht. Die Grundsteuer 
war seit dem Gesetz vom 14. Juni 1887 eine Quo- 
titätssteuer, d. h. der vom Steueranschlag erhobene 
Prozentsatz wurde durch das Finanzgesetz für die 
zeitweilige Finanzperiode festgestellt. Durch Gesetz 
vom 8. Aug. 1903 (gleichzeitig mit Einführung 
der allgemeinen Einkommensteuer) wurde ein ein- 
Staatslexikon. II. 3. Aufl. 
Grund= und Gebäudesteuer. 
  
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heitlicher Steuersatz geschaffen und bestimmt, daß 
von dem Katasterertrag der Grundstücke (ohne 
Waldungen) 20 %, dem der Weinberge 40% in 
Abzug zu bringen find. 
In Baden wurde die Grundsteuer durch das 
Vermögenssteuergesetz vom 11. Sept. 1906 besei- 
tigt. Vgl. Abschn. III, ferner Art. „Einkommen- 
steuer“ (Bd I., Sp. 1512 f). Die Grundsteuer wurde 
hier nach dem Wertkataster erhoben; sie zerfiel in 
eine Steuer vom landwirtschaftlichen Gelände (Ge- 
setz vom 7. Mai 1858) und in eine Waldsteuer 
(Gesetz vom 23. März 1854). 
In Hessen wurde die durch Gesetz vom 
13. Mai 1824 geschaffene. Grundsteuer, die auf 
einem Parzellenkataster beruht, durch Gesetz vom 
12. Aug. 1899 den Gemeinden überwiesen. 
In ÖOsterreich geschah der erste Schritt zur 
Gründung eines Grundsteuersystems durch das Pa- 
tent Kaiser Karls VI. vom 7. Sept. 1718 für das 
Herzogtum Mailand; es wurde eine Parzellenver= 
messung der Grundstücke durchgeführt; sie wurden 
nach Kulturarten und Klassen geteilt; der Roh- 
ertrag wurde für die Flächeneinheit (Quadrat- 
perticha = 182 Wiener Quadratklafter) ermittelt, 
die Kulturkosten abgezogen und nach dem so ge- 
fundenen Reinertrag der Einheit die Berechnung 
des Gesamtreinertrages für jeden Grundbesitz fest- 
gestellt. Erst 1759 war dieses Werk, der Censimento 
milanese, zustande gebracht, im ganzen für 334 
Quadratmeilen. Für die übrigen Kronländer ord- 
nete, nach verschiedenen vorübergehenden Versuchen 
und provisorischen Maßregeln, das Patent vom 
23. Dez. 1817 die Einführung des stabilen Kata- 
sters an. 
Durch Gesetz vom 24. Mai 1869 ist für alle im 
Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder die 
Reglung der Grundsteuer angeordnet worden, um 
die seit der ersten Einführung des stabilen Katasters 
eingetretenen großen Veränderungen in Kultur- 
arten und Preisen der Bodenprodukte zu berück- 
sichtigen, und es soll fernerhin alle 15 Jahre eine 
Revision eintreten. Die Grundsteuer ist kontingen- 
tiert und betrug (Gesetz vom 7. Juni 1881) vom 
1. Jan. 1881 ab für die nächsten 15 Jahre 37,5 
Mill. Gulden, was 22 7/10% des Katastraleintrages 
ergibt. Im Jahre 1896 wurde das Kontingent auf 
35 Mill. Gulden ermäßigt. Der Grundsteuer sind 
unterworfen alle zu landwirtschaftlicher Bodenkul- 
tur benutzbaren Grundoberflächen. Der Reinertrag 
wird für die einzelne Parzelle berechnet ohne Rück- 
sicht auf Lasten und Abgaben, lediglich nach Abzug 
der Bewirtschaftungs= und Gewinnungskosten vom 
Rohertrage. Der Boden wird nach zehn Kulturarten 
und innerhalb derselben nach Klassen eingeteilt; 
die Anzahl der Klassen (höchstens acht) wurde für 
jeden Klassifikationsbezirk durch einen Tarif fest- 
gestellt. Die Evidenthaltung des Katasters ist durch 
die Gesetze vom 23. Mai 1883 und 12. Juli 1896 
geregelt. Auch Fälle außerordentlicher Steuernach- 
lässe und Steuerbefreiungen sind gesetzlich vor- 
gesehen. 
In Frankreich beruht die gegenwärtige 
Grundsteuer (l'impôöt foncier) auf den Dekreten 
vom 23. Nov. 1798 und 1. Dez. 1790. Der 1791 
angeordnete Parzellenkataster wurde durchgeführt 
zwischen 1807 und 1870. Er ist maßgebend für 
die Unterverteilung auf die einzelnen Befitzer inner- 
halb der Gemeinden, während die Verteilung des 
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