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Aufbringungssolls auf die Departements, Arron-
dissements und Kommunen nur nach überschlägigen
Berechnungen geschehen ist. Hieraus haben sich Un-
gleichheiten ergeben. Die Kontingente haben im
Laufe der mehr als 100 Jahre wiederholt eine starke
Herabsetzung erfahren.
In England hat sich die Land tax, wie ander-
wärts, aus den mittelalterlichen Subsidien und
Einkommensteuern allmählich zu einer Grundsteuer
entwickelt. Die Land tax ist aber ablösbar; etwa
die Hälfte ist abgelöst. Sie hat vollkommen den
Charakter einer Reallast; Grundbesitz bis zu einem
Jahresertrag bis zu 5 Pfund Sterling ist von ihr
befreit. Die eigentliche Besteuerung des Boden-
ertrages erfolgt nunmehr durch die Einkommen-
steuer.
Italien besitzt keine einheitlich geregelte Grund-
steuer, sondern nach Provinzen verschiedene Grund-
steuersysteme.
II. Die Gebäudesteuer. Dieselbe wird als Teil
oder als Ergänzung der Grundsteuer betrachtet.
Sie ist die Besteuerung des Grund und Bodens
mit Rücksicht auf die besondere, in der Bebauung
mit Gebäuden bestehende Benutzung. In der Ge-
setzgebung hat sich die Gebäudesteuer jedoch als
selbständige Steuer herausgebildet. In Frank-
reich war sie bis 1890 mit der Grundsteuer ver-
einigt. Die Gebäudesteuer als Mietsertragssteuer
will den Reinertrag treffen. Von dem Rohertrag
werden gewisse Kostensätze (Abnutzung, Repara-
tur, Versicherung, jedoch nicht die Schuldzinsen) in
Abzug gebracht und von dem gewonnenen Ergeb-
nis nach dem Ouotitätsprinzip ein teils unver-
änderlicher teils durch Finanzgesetz bestimmter
Prozentsatz erhoben. Der Ertrag wird aber auch
nach der Größe der überbauten Fläche (Areal-,
Flächensteuer), oder der Zahl der bewohnten
Räume und Stockwerke (Hausklassensteuer), oder
auch der Zahl der Türen und Fenster (Tür= und
Fenstersteuer) festzustellen gesucht. Besonders die
letzte Art der Steuerfixierung ist sehr bedenklich,
weil sie unzweckmäßiges Bauen veranlaßt. Keine
Ertrags-, sondern eine Aufwandsteuer ist die
Mietsteuer (Wohnungssteuer), die von dem Be-
nützer einer Wohngelegenheit nach dem Mietwert
der Wohnung erhoben wird, die ärmeren Volks-
schichten aber relativ weit stärker belastet als die
besser situierten Kreise. Uber die Gebäudewert-
steuer s. unten.
Preußen. Seit der Gesetzgebung des Jahres
1861 zerfiel die Grundsteuer „in die von Gebäuden
und den dazu gehörigen Hofräumen und Haus-
gärten unter dem Namen „Gebäudesteuer“ zu ent-
richtende Staatsabgabe" und die eigentliche Grund-
steuer. Von der Gebändesteuer wurden nur solche
Hausgärten betroffen, deren Fläche einen Morgen
(— 25,532 ar) nicht überstieg. Die Gebäude wur-
den nach ihrem Nutzungswert in Stufen geteilt.
Der Nutzungswert wurde in Städten und solchen
ländlichen Ortschaften, in welchen eine überwiegende
Anzahl von Wohngebäuden durch Vermittlung be-
nutzt wird, nach den durchschnittlichen Mietspreisen
festgestellt, welche während der letzten zehn Jahre
in dem betreffenden Ort bedungen worden sind. In
Grund= und Gebäudesteuer.
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den übrigen ländlichen Ortschaften wurden neben
der Größe und Bauart der Gebäude, der Größe
und Beschaffenheit der Hofräume und Hausgärten
die Gesamtverhältnisse der zu denselben gehörigen
Besitzungen berücksichtigt. Die Steuer für Wohn-
gebäude betrug 4%, diejenige für Gebäude, welche
gewerblichen Zwecken dienten, 2% des Nutzungs-
wertes. Die Gebäudesteuer wurde im Hinblick auf
die örtliche Verschiedenheit des Wohnungsaufwan-
des und des Wohnungsertrages durch Gesetz vom
14. Juli 1893 den Gemeinden überwiesen.
Die Haussteuer in Bayern (Gesetz vom 15. Aug.
1828 und 19. Mai 1881) ist eine direkte Staats-
auflage, mit welcher die Nutzung aus Häusern be-
legt wird. Maßstab für die Steuer ist die Miets-
ertragsfähigkeit, welche in dem wirklichen oder
möglichen (geschätzten) Mietsertrage gesucht wird
(Miethaussteuer). In andern Fällen wird der
Mietsertrag gefunden durch das Produkt aus dem
in Aren ausgedrückten Flächeninhalte des über-
bauten Grund und Bodens sowie der Hofräume
und einem Ertragsanschlage von 5 M vom Ar
(Arealhaussteuer). Der wirkliche oder geschätzte
Mietsertrag wird in Mark ausgedrückt und bildet
die Haussteuerverhältniszahl. Wie viele Pfennige
oder Bruchteile von Pfennigen für jede Mark dieser
Verhältniszahl zu erheben seien, wird durch das
jedesmalige Finanzgesetz festgestellt (Quotisation).
Die 1909 in Aussicht stehende große Steuerreform
läßt die staatliche Haussteuer im wesentlichen un-
berührt.
In Sachsen bildet die Besteuerung der Ge-
bäude einen Teil der Grundsteuer.
Die Gebäudesteuer in Osterreich ist in zwei
Klassen geteilt: Hauszinssteuer und Hausklassen-
steuer. Erstere reicht in ihren Anfängen weit zurück
und hatte ursprünglich den Charakter einer Ver-
mögenssteuer; die Grundlage auch der heutigen
Verhältnisse bildet das Gebäudesteuerpatent vom
23. Febr. 1820; die neueste Reglung beruht auf
dem Gesetze vom 9. Febr. 1882 und dem Ergän-
zungsgesetze vom 1. Juni 1890 und 9. Febr. 1892.
Die Hauszinssteuer wird nicht an allen Orten
gleichmäßig erhoben. Alle Gebäude unterliegen
derselben nur an den Orten, welche im Gesetz als
hauszinssteuerpflichtige aufgeführt sind oder bei
welchen durch die Steuerbehörde die Heranziehung
ausgesprochen wird, weil sämtliche Gebäude oder
wenigstens die Hälfte derselben und außerdem die
Hälfte der Wohnbestandteile einen Zinsertrag durch
Vermietung abwerfen. An andern Orten werden
nur einzelne Gebäude auf Grund der Vermietung
herangezogen. Die Steuer wird vom einjährigen
Zins nach Abzug der gesetzlichen Erhaltungs= und
Amortifationslasten erhoben. Für die Baufreijahre,
während der Zeit des Neu-, Zu= oder Umbaues,
welche höchstens auf zwölf Jahre ausgedehnt wer-
den dürfen, wird von dem Reinertrage die fünf-
prozentige Steuer aufgelegt. Die Hauszinssteuer
beträgt nach drei Ortschaftsgruppen 26⅜% des
Zinses nach Abzug von 15% (für Erhaltungs-
kosten), 20% nach 30% Abzug oder (für Tirol
außer Innsbruck) 15% nach 30% Abzug. Die
Hausklassensteuer wird jetzt in 16 Klassen lediglich
nach der Anzahl der Wohnbestandteile erhoben
(früher auch nach Stockwerken). Eine durch eine
Enquete im Jahre 1903 eingeleitete Reform ist
(1909) noch nicht zum Abschluß gelangt.