Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft, in der 
Voruntersuchung oder wenn Gefahr im Verzuge 
ist auch im Ermittlungsverfahren ohne solchen 
Antrag der Richter die Durchsuchung verfügen 
und dieselbe selbst unter Zuziehung eines Ge- 
richtsschreibers ausführen oder durch einen Ge- 
richts- oder Polizei= oder Gemeindebeamten aus- 
führen lassen. Findet die Haussuchung ohne 
Beisein des Richters oder des Staatsanwalts statt, 
so sind, wenn dies möglich ist, ein Gemeinde- 
beamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in 
deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. 
Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Per- 
sonen dürfen nicht Polizei= oder Sicherheits- 
beamte sein. Der Durchsuchung darf der Inhaber 
der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände 
beiwohnen. Er verwirkt diese Befugnis, wenn er 
sich der Durchsuchung widersetzt; er kann dann 
abgeführt werden. Ist er abwesend, so ist, wenn 
dies möglich ist, sein Vertreter oder ein erwachsener 
Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zuzu- 
ziehen. Bei Durchsuchungen von Wohnungen nicht 
beschuldigter Personen ist dem Inhaber oder der in 
dessen Abwesenheit zugezogenen Person der Zweck 
der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu 
machen. Diese Vorschrift findet jedoch keine An- 
wendung auf die Inhaber derjenigen Räume, 
welche regelmäßig zur Nachtzeit betreten werden 
dürfen. Nach der Beendigung der Durchsuchung 
ist dem von derselben Betroffenen auf sein Ver- 
langen eine schriftliche Mitteilung zu machen, 
welche den Grund der Durchsuchung sowie, falls 
der Betroffene der Verdächtige ist, die strafbare 
Handlung bezeichnen muß, welche ihm zur Last 
gelegt wird. Werden bei der Durchsuchung für 
die Untersuchung erhebliche Gegenstände vorge- 
funden und werden dieselben nicht freiwillig her- 
ausgegeben, so sind sie zu beschlagnahmen (Bd 1, 
Sp. 805). Auf Verlangen ist dem Durchsuchten 
ein Verzeichnis der in Beschlag oder in Ver- 
wahrung genommenen Gegenstände, falls aber 
nichts Verdächtiges gefunden wird, eine Beschei- 
nigung hierüber zu geben. Werden bei Gelegen- 
heit einer Durchsuchung bei dem Beschuldigten 
oder einem unbeteiligten Dritten Gegenstände ge- 
funden, welche zwar in keiner Beziehung zu der 
Untersuchung stehen, aber auf die erfolgte Ver- 
übung einer andern strafbaren Handlung hin- 
deuten, so sind dieselben einstweilen in Beschlag 
zu nehmen, und es ist der zuständigen Staats- 
anwaltschaft oder Militärbehörde Kenntnis zu 
geben. 
Eine Durchsicht der Schriftstücke des von 
einer Durchsuchung irgend welcher Art Betroffenen 
steht nur dem Richter zu, dem im Militärstraf- 
verfahren der Gerichtsherr und der Untersuchungs- 
führer gleichstehen. Andere Beamte sind zur Durch- 
sicht der aufgefundenen Papiere nur dann befugt, 
wenn der Inhaber derselben die Durchsicht ge- 
nehmigt. Andernfalls haben sie die Papiere, deren 
Durchsicht sie für geboten erachten, in einem Um- 
Haussuchung. 
  
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schlage, welcher in Gegenwart des Inhabers mit 
dem Amtssiegel zu verschließen ist, an den Richter 
abzuliefern. Dem Inhaber der Papiere oder dessen 
Vertreter ist die Beidrückung seines Siegels ge- 
stattet; auch ist er, falls demnächst die Entsieglung 
und Durchsicht der Papiere angeordnet wird, 
wenn dies möglich, aufzufordern, derselben bei- 
zuwohnen. Die zu einer strafbaren Handlung in 
Beziehung stehenden Papiere hat der Richter der 
Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Diese Pflicht zur 
Auslieferung der Papiere war dem römischen 
Strafverfahren unbekannt; der Inquisitionsprozeß 
schuf dieselbe zunächst für den Beschuldigten und 
dehnte sie dann auf alle zur Zeugnisablegung ver- 
pflichteten Personen aus. Findet eine Durch- 
uchung zum Zwecke der Augenscheinseinnahme 
statt, so hat dieselbe der Richter selbst mit dem 
Gerichtsschreiber vorzunehmen. Dem Angeschul- 
digten und dessen Verteidiger kann alsdann, muß 
aber nicht die Anwesenheit bei der Durchsuchung 
gestattet werden. Die Staatsanwaltschaft kann 
jeder Durchsuchung beiwohnen. 
Durchsuchungenin militärischen Dienstgebäuden 
und auf Kriegsfahrzeugen erfolgen im bürgerlichen 
Strafverfahren durch Ersuchen der Militärbehör= 
den und auf Verlangen der Zivilbehörde (Richter, 
Staatsanwaltschaft) unter deren Mitwirkung. 
Des Ersuchens der Militärbehörden bedarif es 
jedoch nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen 
vorzunehmen ist, welche in militärischen Dienst- 
gebäuden ausschließlich von Zivilpersonen be- 
wohnt werden. Im Militärstrafverfahren hat die 
Durchsuchung von Räumen bürgerlicher Personen 
durch Ersuchen des Amtsgerichts oder in schleu- 
nigen Fällen der Staatsanwaltschaft und ihrer 
Hilfsbeamten zu geschehen. Von diesen ist ihre 
Zuständigkeit zur Durchsuchung sowie deren Zu- 
lässigkeit selbständig zu prüfen. Zum Vollzuge ist 
die Militärbehörde auf ihr Verlangen zuzuziehen. 
Die dem früheren Strafverfahren bekannte 
Durchsuchung einer Mehrzahl von Personen und 
ganzer Ortschaften (allgemeine Haussuchung) ist 
jetzt nur noch zulässig, wenn bei jeder einzelnen 
Person die vorangeführten Voraussetzungen der 
Durchsuchung zutreffen. Eine allgemeine Papier- 
durchsuchung war auch dem früheren Rechte nicht 
bekannt. 
In Strassachen ist mithin nach der deutschen 
Strafprozeßordnung jedermann verpflichtet, sich 
der Durchsuchung zu unterwerfen, sobald der 
Richter oder die Staatsanwaltschaft dieselbe nach 
ihrem Ermessen für den Untersuchungszweck för- 
derlich erachten. Die Haussuchung wird dadurch 
zu dem allerdings nicht zu missenden, aber doch 
drückenden Zwange, nach Ermessen des Gerichts 
seine Privatexistenz der Besichtigung bloßzustellen. 
Die einzelnen beschränkenden Vorschriften sind nur 
der Rücksicht auf möglichste Schonung des Be- 
troffenen entsprungen. 
In einzelnen Spezialgesetzen ist die Be- 
fugnis zur Haussuchung noch erweitert. Die 
 
	        
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