1137
Seemannsordnung ermächtigt den Schiffer, die
Effekten der Schiffsleute, welche der Beteiligung
an einer strafbaren Handlung verdächtig sind,
jederzeit zu durchsuchen. Desgleichen ermächtigen
das Vereinszollgesetz (88 126 ff) sowie die Steuer-
gesetze die Zoll= und Steuerbeamten, die Jagd-
und Forstgesetze die Jagd= und Forstschutzbeamten,
das Margarine= und Weingesetz die Polizei-
beamten weitergehend zur Vornahme von Haus-
suchungen.
Gegen die Uberschreitung des Durchsuchungs-
rechts ist ein strafrechtlicher und ein disziplinarer
Schutz gewährt: einmal ist gegen die Anord-
nung der Durchsuchung die Beschwerde gegeben;
sodann macht sich der Beamte, welcher das Durch-
suchungsrecht in einem Wohnhause, in Geschäfts-
räumen oder in einem befriedeten Besitztum wider-
rechtlich ausübt, oder welcher widerrechtlich in diese
Räume eindringt, oder nach beendeter Durch-
suchung widerrechtlich in denselben verweilt, des
Mißbrauchs seiner Amtsgewalt und des Haus-
friedensbruchs schuldig; derselbe ist alsdann krimi-
nell oder mit Geldstrafe bis zu 900 M und außer-
dem, sowie wenn diese Überschreitung der Amts-
gewalt auf Fahrlässigkeit beruht, disziplinariter
zu bestrafen.
In Osterreich-Ungarrn ist das Hausrecht
durch Gesetz vom 27. Okt. 1862 in ähnlicher
Weise wie in Deutschland geschützt. Die Bestim-
mungen dieses Gesetzes sind in die Strafprozeß--
ordnung vom 23. Mai 1873 aufgenommen
worden. Die Beamten der Sicherheitsbehörden
können ausnahmsweise Haussuchungen anordnen.
Doch können Wachpersonen, z. B. Gendarmen,
auch ohne solche Anordnung aus eigener Initia-
tive eine Haussuchung vornehmen, wenn gegen
eine Person ein Vorführungs= oder Haftbefehl
erlassen, oder wenn sie auf der Tat betroffen ist,
durch öffentliche Nachteile oder öffentlichen Ruf
einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet
oder im Besitze von Gegenständen betreten wird,
welche den Verdacht einer strafbaren Handlung
begründen. Das Eindringen in die Wohnung
aus andern als strafprozessualen Gründen, z. B.
zur Vornahme polizeilicher Revisionen, zur Vor-
nahme der Steuerbemessung und Steuerkontrolle:
oder anläßlich der Volkszählung, ist in den Spe-
zialgesetzen geregelt. Eine gegen die Vorschriften
des Gesetzes vorgenommene Hausdurchsuchung
kann als Mißbrauch der Amtsgewalt oder als
übertretung der Pflichten eines öffentlichen Amtes
(6§ 331, 332 der Strafprozeßordnung) strafbar
sein. Die vorstehend mitgeteilten Bestimmungen
schützen gleichmäßig den Inländer und Ausländer.
Vgl. Die Strafprozeßordnungen, die deutsche
§§ 102/108, die Militärstrafgerichtsordnung §§ 235
bis 240, die österreichische §§ 139/142, die fran-
zösische Art. 19, 35/39, 49, 50, 87/90, das belgische
Gesetz vom 20. April 1874; Glaser, Strafprozeß
II (1883) 287/294; Löwe, Strafprozeßordnung
(11907). Spahn.)
Hauswerk — Heerwesen.
1138
Hauswerk s. Gewerbe (Sp. 684).
Hawaii s. Vereinigte Staaten von Amerika.
Hazardspiel s. Glücks= oder Hazardspiele.
Heerwesen. IA. Heersysteme. B. Zur Ge-
schichte des Heerwesens. C. Heerwesen des Deutschen
Reiches: I. Militärkonventionen. II. Kontingente
der Bundesstaaten. III. Militärische Hoheits-
rechte. IV. Organisation des stehenden Heeres.
V. Organisation der Landwehr. VI. Organisation
des Landsturms. VII. Festungen. VIII. Heeres-
verwaltung. IX. Heereskosten. X. Kaiserliche
Reichstruppen. Literatur,]
Die folgende Darlegung beschränkt sich auf das
Landheer, während die Seemacht in dem Artikel
Marine behandelt wird. Zahlreiche Einrich-
tungen und Vorschriften sind ursprünglich für das
Landheer eingeführt, später aber auf den jüngeren
Teil der bewaffneten Macht, die Marine, aus-
gedehnt worden; diese für beide Teile der bewaff-
neten Macht geltende gemeinsame Ordnung ist in
dem Artikel Militärwesen dargestellt.
A. Heersysteme. Wir verstehen unter Heer
die für Kriegszwecke bestimmte Landmacht des
Staates, im Gegensatz einerseits zur Seemacht
(Marine) und anderseits zu den bewaffneten
Organen der Zivilbehörden (Gendarmen, Schutz-
mannschaft, Forstwächter, Grenzwächter usw.),
welche für die Aufrechterhaltung der Friedens-
ordnung, insbesondere für die zwangsweise Durch-
führung von Maßnahmen der Verwaltung, auf-
gestellt sind. Die Einrichtung des Heerwesens
ist für den Staat von der größten Bedeutung,
weil von ihr die Sicherheit, ja der Bestand des
Staates abhängt. Die Gestaltung der Heeres-
verfassung hängt wesentlich von der volks-
wirtschaftlichen, politischen und waffentechnischen
Entwicklung ab. Danach lassen sich drei Grund-
ormen der Heeresverfassung unterscheiden, die
selbstverständlich nicht immer und nicht überall
charf voneinander abgegrenzt sind, sondern man-
nigfache Ubergänge aufweisen:
1. In der Jugendzeit der Völker, solange die
festen Wohnplätze eines Volkes gegen die Nachbar-
völker noch nicht genügend gesichert sind und die
Kultur wenig entwickelt ist, umfaßt Waffenrecht
und Waffenpflicht alle waffenfähigen freien Män-
ner in gleichem Maße.
2. Im Mittelalter der Völker tritt mit Zunahme
der Kultur eine Arbeitsteilung ein, welche
den Kriegsdienst wenigstens für die Regel zu einer
Sonderleistung einzelner Teile des Volkes macht,
während das übrige Volk nur im Falle der Not
zum Waffendienst herangezogen und für diesen
Zweck auch nur notdürftig, sei es unmittelbar vor
der Verwendung im Krieg, sei es durch kleine
Übungen im Frieden, ausgebildet wird. Vielfach
wird der Kriegsdienst zur besondern Pflicht der
Grundbesitzer, so in der Zeit des Feudalismus
und seiner Lehnsmilizen. Schon frühe wird
aber in manchen Ländern der Kriegsdienst zum
bezahlten Gewerbe, das seinen Mann durch Sold
ernährt. Eine höhere Stufe der Entwicklung be-