Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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und Boden des Besitzers beschränkt. Danach konnte, 
abweichend von den Grundsätzen des freien Tier- 
fangs, nicht jeder überall, sondern nur der Eigen- 
tümer auf seinem eigenen Grund und Boden das 
Wild sich aneignen, und es mußte derjenige, der 
auf fremdem Eigentum ohne Erlaubnis des Be- 
sitzers Wild erlegte, dasselbe an letzteren ausliefern. 
Dieser Zustand, wonach also das Jagdrecht sich 
lediglich als eine Pertinenz des Grundeigentums 
darstellt, hat mit der eigenartigen Entwicklung 
der Grundeigentumsverhältnisse in Deutschland 
ebenfalls seine Anderungen erfahren. Schon mit 
der Ausbildung des Unterschieds zwischen echtem 
Eigentum, das nur der freie Mann haben konnte, 
und dem unvollkommenen Eigentum, das dem 
Unfreien zustand, sowie mit der Entwicklung des 
Lehnswesens vollzog sich notwendig immer mehr 
eine Einschränkung des ursprünglichen ausschließ- 
lichen Okkupationsrechts des Eigentümers, bis 
schließlich zu Anfang des 16. Jahrh. die schon 
seit langem betriebene Ausdehnung der landes- 
herrlichen Gerechtsame zu einer völligen Aus- 
scheidung des Jagdrechts aus den Befugnissen des 
Grundeigentums und zu der allgemeinen Annahme 
eines Jagdregals führte, vermöge dessen die 
Jagdgerechtigkeit nur dem Landesherrn zustand 
und nur von diesem an andere verliehen werden 
konnte. 
Aus der interessanten Geschichte der Entwick- 
lung des Jagdregals ergibt sich, daß vornehmlich 
der Forst= und Wildbann mit den landesherrlichen 
Wildbahnen der älteren Zeit vorbereitend gewirkt 
hat. Schon im 9. Jahrh. und früher hatten die 
Landesherren Gelegenheit gefunden, den Wildbann 
auch über das Domanialbesitztum auszudehnen, so 
daßer schon frühzeitig allegrößeren Waldungen um- 
faßte, die nicht ausschließlich durch einzelne Per- 
sonen oder Gemeinden benutzt wurden. So kam es, 
daß bald ganze Länderstriche unter den Wildbann 
gestellt waren, in welchen nun, wie es hieß, „dem 
Wilde Frieden gewirkt“ und bei Strafe der Entrich- 
tung der Königsbuße es verboten war, ohne landes- 
herrliche Erlaubnis zu jagen. Daneben wurden kraft 
der hoheitlichen Polizeigewalt Vorschriften zur Be- 
obachtung einer gehörigen Forstökonomie bei Be- 
nutzung der Holzungen erlassen, die sich auf alle 
Waldungen ausnahmslos bezogen und vielerorts 
sogar trotz des Widerstands der Bauern, welche 
die freie Benutzung ihrer Waldungen verlangten, 
bis zu einem förmlichen Anweisungsrecht der 
landesherrlichen Forstbeamten, Holzgrafen und 
Gerichtsherrschaften führten. Diese von den landes- 
herrlichen Beamten geflissentlich geförderte Aus- 
dehnung der obrigkeitlichen Gerechtsame bewirkte, 
daß es bereits zu Anfang des 16. Jahrh. in 
Deutschland als ausgemacht galt, daß der Landes- 
herr die Jagd auch auf dem Grund und Boden 
der einzelnen Untertanen untersagen könne. Diese 
Anschauung aber, die insbesondere von den Juristen 
der damaligen Zeit vertreten wurde und der ganzen 
Forst= und Polizeigesetzgebung jener Periode zu- 
Jagd= und Fischereirecht. 
  
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grunde liegt, führte dann weiter zur Annahme 
eines wirklichen Jagdregals, das nur dem grund- 
besitzenden Adel gegenüber, der vermöge seiner 
Landstandschaft seine hergebrachten Rechte besser 
zu behaupten in der Lage war, in manchen Di- 
strikten insofern einer Beschränkung unterlag, als 
es nur auf die hohe Jagd bezogen wurde, wäh- 
rend die mittlere und niedere Jagd dem Adel 
verblieb. 
Obgleich das Regal gemeinrechtlich niemals 
förmlich eingeführt worden ist (erst das preußische 
Allgemeine Landrecht hat dasselbe ausdrücklich an- 
erkannt (TI II, Tit. 16, § 36)), hat dasselbe doch 
tatsächlich bestanden bis zum Jahre 1848, das 
mit seiner Umwälzung auch hier völligen Wandel 
geschaffen, das Jagdrecht auf fremdem Grund und 
Boden, und zwar ohne jede Entschädigung, auf- 
gehoben und jedem Eigentümer das volle Jagdrecht 
auf seinem Grundbesitz eingeräumt hat. Für Preu- 
ßen ist dies durch das Gesetz vom 31. Okt. 1848 
geschehen, und in gleicher oder ähnlicher Weise 
sind auch die Gesetzgebungen der übrigen Staaten 
Deutschlands vorgegangen. 
Die hierdurch gewährte völlige Freiheit der 
Jagd zeigte jedoch bald ihre Unzuträglichkeiten und 
ihren unheilvollen Einfluß auf die kleinen Besitzer, 
die vielfach ihre Wirtschaft vernachlässigten, um 
der Jagd obzuliegen. Überhaupt wurde durchweg 
die Ausübung der Jagd in so wüster Weise be- 
trieben, daß nicht allein eine gänzliche Vernichtung 
des Wildstandes zu befürchten, sondern auch wegen 
des allgemeinen Gebrauchs der Schußwaffen die 
persönliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung 
gefährdet war. Die Staatsgewalt war deshalb 
genötigt, hier Einschränkungen zu treffen. 
In Preußen erschien das Jagdpolizeigesetz vom 
7. März 1850, das zwar den Grundsatz von der 
Freiheit der Jagd bestehen läßt, im übrigen aber 
für die Ausübung der letzteren so wesentlich ein- 
schränkende Bestimmungen enthält, daß in Wirk- 
lichkeit von Jagdfreiheit nicht mehr die Rede sein 
kann. Wesentlich gleiche Gesetze sind auch in den 
übrigen Staaten ergangen, so daß trotz der zahl- 
reichen, vielfach schon durch die territoriale Ver- 
schiedenheit der einzelnen Ländergebiete bedingten 
Abweichungen in Einzelbestimmungen doch all- 
gemein eine Gleichmäßigkeit in der prinzipiellen 
Rechtsauffassung herrscht, wonach zwar das Jagd- 
recht an sich jedem Grundeigentümer innerhalb 
der Grenzen seines Besitztums zusteht, die Aus- 
übung desselben aber aus polizeilichen und 
nationalökonomischen Rücksichten an bestimmte 
Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft ist. 
Hierdurch sind auch die Zweifel an derrechtlichen 
Natur des Jagdrechts als des ausschließlichen Rechts 
auf die Okkupation der für jagdbar erklärten wil- 
den Tiere beseitigt. Das Wild ist, solange es in 
seiner natürlichen Freiheit lebt, nicht Eigentum des 
Grundbesitzers, auf dessen Territorium es sich auf- 
hält, sondern dasselbe wird als herrenlose Sache 
erst durch die Okkupation des Berechtigten zum 
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