3 Eltern, Elterngewalt. 4
unterstehen, also hauptsächlich auf die häusliche
Ordnung und die Fragen der Erziehung. Während
aber die beiden andern Seiten der Pietät, Ehr-
furcht und Liebe, für das ganze Leben die Kinder
verpflichten, hört die Pflicht des Gehorsams in
gewissen Fällen auf; z. B. dann, wenn der elter-
liche Befehl seine Befugnis überschreitet, wenn es
sich um die Standeswahl handelt. Denn die
Eltern haben nicht das Recht, über das zukünftige
Leben des Kindes zu verfügen. Im Falle sie aber
durch Verheiratung des Kindes oder seinen Eintritt
in einen religiösen Orden in schwere Not kommen
würden, haben die Eltern das Recht, den Eintritt
des Kindes in den von ihm gewählten Stand auf
einige Zeit zu verschieben. Ist keine Notlage der
Eltern vorhanden, dann dürfen mündige Kinder
gegen den Willen, ja selbst ohne das Wissen der
Eltern den Ordensberuf ergreifen. Unmündige
Kinder können ohne Wissen und Willen der Eltern
keine Verpflichtungen, selbst nicht durch Gelübde,
auf sich nehmen. Die Pflicht des Gehorsams hört
auch auf, wenn ein Kind aus der Familie aus-
scheidet durch Eintritt in den Priester-, Ordens-
oder Ehestand, und endlich durch Selbständig-
machung. Die Pflicht der Pietät erstreckt sich auch
auf alle, die Elternstelle vertreten, wie Lehrer und
Erzieher, Vormünder und überhaupt gewissermaßen
alle Vorgesetzten.
II. Auf Grund der sittlichen Anschauungen
wurde das gegenseitige Verhältnis von Eltern und
Kindern von jeher auch rechtlich geregelt. Das
römische Recht verlangte vom Kind den völligen
Familiendienst, in dem es aufzugehen hatte. Sogar
vom selbständigen Erwerb war das Kind ausge-
schlossen. Die väterliche Gewalt (patria potestas)
herrschte über das Kind, solange der Vater lebte.
Nach dem germanischen Recht war das Kind nur
so lange unter der väterlichen Gewalt, als es in
der Familie lebte. Es war in erster Linie hier ein
Schutz= und Vertretungsverhältnis. Das neuere
französische Recht, das gegen die Übermacht der
väterlichen Gewalt ankämpfte, unterstellte das Kind
nur bis zur Volljährigkeit unter die väterliche Ge-
walt. Mit Erlangung der Volljährigkeit sollte das
Kind von der väterlichen Gewalt befreit sein.
Außerdem entwickelte das französische Recht den
Begriff der elterlichen Gewalt gegenüber der
väterlichen. Träger der elterlichen Gewalt ist dann
1) während der Lebzeiten des Vaters Vater und
Mutter zugleich; 2) wenn der Vater stirbt oder
seine Gewalt erlischt, die Mutter allein. Diese
Auffassung gibt der Mutter eine höhere Stellung
in der Familie, indem die Mutter dadurch nicht
bloß eine moralische, sondern auch eine rechtliche
Macht hat neben dem Vater.
Das B. G.B. für das Deutsche Reich hat diese
Anschauung aufgenommen. Danach untersteht das
Kind, solange es minderjährig ist, der elterlichen
Gewalt (§ 1626). Diese Gewalt besteht in dem
Recht und der Pflicht, für die Person und das
Vermögen des Kindes zu sorgen (§ 1627). Die
Ausübung der elterlichen Gewalt liegt in erster
Linie dem Vater ob. Solange er dazu imstande
ist, hat die Mutter ihn darin lediglich zu unter-
stützen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen
beiden Eltern geht die Meinung des Vaters vor
(5 1634). Erst wenn das Recht des Vaters ent-
fällt, tritt die Mutter ein (8 1684). Allerdings
kann die elterliche Gewalt der Mutter stark be-
schränkt werden durch Aufstellung eines Beistan-
des, wenn der Vater es so angeordnet hat, oder
wenn das Vormundschaftsgericht es für nötig er-
achtet (§ 1687).
Nach § 1631 begreift die Sorge um die Person
des Kindes das Recht und die Pflicht in sich, das
Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen
Aufenthaltsort zu bestimmen. Auch die nötigen
Zuchtmittel darf der Vater kraft des Erziehungs-
rechts anwenden. Durch Art. 134 des Einf.=
Ges. ist allerdings die religiöse Erziehung
der Kinder davon ausgenommen und den Lan-
desgesetzen überlassen worden. Wenn nun die
Landesgesetze die elterliche Gewalt gerade in diesem
Punkte beschränken, so ist eigentlich dadurch das
Recht der Eltern, das der § 1631 ihnen zuerkennt,
im wichtigsten Stück aufgehoben. Die religiöse
Erziehung gehört so zum Wesen der Erziehung
überhaupt, daß diese ohne jene nicht vollständig
durchgeführt werden kann. Somit werden die
Eltern, die im Gewissen zur religiösen Erziehung
ihrer Kinder schon durch das natürliche Sitten-
gesetz verpflichtet sind, durch solche beschränkenden
Landesgesetze in die ärgste Zwangslage versetzt.
In den deutschen Bundesstaaten herrscht nun die
größte Mannigfaltigkeit in den Landesgesetzen be-
treffs der religiösen Erziehung der Kinder, so daß
es zu weit führte, alle die verschiedenen Gesetze
hier aufzuzählen. Sie stammen zumeist aus der
ersten Hälfte des 19. Jahrh. und stimmen darin
überein, „daß sie im Geist der „Aufklärung“ ihrer
Zeit für die Angehörigen der drei christlichen Re-
ligionsparteien gerechte Grundsätze über die Kon-
fession der Kinder aus gemischten Ehen aufzu-
stellen suchten“. Treffend sagt Schmidt: „Weder
dem Reich noch den einzelnen Bundesstaaten steht
das Recht zu, gesetzliche Vorschriften über die reli-
giöse Erziehung oder gar über konfessionelle Tei-
lung der Kinder zu erlassen. Wohl aber hat der
paritätische Staat die Aufgabe, die Eltern bezüg-
lich der religiösen Erziehung ihrer Kinder un-
behelligt zu lassen und unberechtigte Eingriffe von
seiten Dritter abzuwehren. Von diesem Stand-
punkt aus kann behauptet werden, daß die be-
stehenden Landesgesetze über die Konfession der
Kinder mehr oder minder auf der falschen Theorie
des Staatskirchentums beruhen.“ (gl. über die
einzelnen Gesetze Schmidt, Die Konfession der
Kinder nach den Landesrechten im Deutschen
Reich, 1890.)
Selbständig dürfen Kinder ihre Religion wählen
in Preußen und Württemberg nach vollendetem
14., in Baden nach dem 16., in Bayern nach dem