Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Ebensowenig unterstützen die Tepartements und 
Gemeinden einen solchen. Doch können noch öffent- 
liche Ausgaben gemacht werden für Geistliche an 
staatlichen Anstalten. Die öffentlichen Kultus- 
anstalten werden aufgehoben (Art. 2). — Titel II 
handelt von der Zuweisung der Kirchengüter und 
von den Pensionen des Klerus. Zunächst ist das 
Vermögen der öffentlichen Kultusanstalten zu in- 
ventarisieren (Art. 3). Innerhalb eines Jahrs geht 
das Vermögen der bischöflichen Mensa, der Kirchen- 
fabriken usw. an die im Gesetz vorgesehenen Kultus- 
vereine über. Diese haben sich den Regeln der all- 
gemeinen Organisationen des Kultus anzupassen, 
dessen Ausübung sie sichern wollen (Art. 4). Die 
Kirchengüter, die durch Gesetz vom 18. Germinal 
des Jahres X vom Staat stammen, fallen an diesen 
zurück (Art. 5). Die Kultusvereine, denen die Güter 
der aufgehobenen kirchlichen Anstalten überwiesen 
werden, haften für diese nach allen Seiten hin. Eben- 
so der Staat, die Departements oder die Gemeinden 
für die an sie fallenden Güter (Art. 6). Diejenigen 
beweglichen oder unbeweglichen Güter, die mit einem 
wohltätigen oder dem Kultus fremden Zweck be- 
lastet sind, gehen an solche öffentliche nützliche An- 
stalten über, die eine derartige Bestimmung haben 
(Art. 7). Die von den Vertretern der kirchlichen 
Anstalt oder durch Regierungserlaß vorgenommene 
überweisung kann vor dem Staatsrat angefochten 
werden. Die überweisung kann auch angefochten 
werden im Fall einer Spaltung eines Kultusver- 
eins, einer Neugründung eines solchen infolge Ande- 
rung in der kirchlich-territorialen Bezirkseinteilung 
und im Fall, daß der Kultusverein, an welchen die 
Überweisung erfolgte, nicht mehr in der Lage ist, 
seinen Zweck zu erfüllen (Art. 8). Fehlt es an einem 
Verein, der die Güter einer öffentlichen Kultus- 
anstalt übernimmt, so werden diese Güter durch 
Regierungserlaß den Gemeindeanstalten für Armen- 
pflege und Wohltätigkeit überwiesen. Im Fall der 
Auflösung eines Kultusvereins werden durch Dekret 
des Staatsrats dessen Güter entweder einem im 
gleichen kirchlichen Bezirk oder in der Nachbarschaft 
befindlichen Kultusverein oder einer wohltätigen 
Anstalt überwiesen (Art. 9). Die bisher vom Staat 
besoldeten, über 60 Jahre alten Geistlichen mit wenig- 
stens 30jähriger Dienstzeit erhalten drei Viertel, die 
über 45 Jahre alten mit wenigstens 20jähriger 
Dienstzeit die Hälfte ihres Gehalts — doch beide 
Klassen höchstens 1500 Franken — als lebensläng- 
liche Pension, die andern 4 oder 8 Jahre lang Zu- 
wendungen. Bei den von der Gemeinde besoldeten 
ist dies deren freiem Willen Überlassen (Art. 11).— 
Titel III regelt die Verhältnisse der Kultusgebäude. 
Die Gebäude, die der Nation (in der französischen 
Revolution) zur Verfügung gestellt worden sind und 
kraft des Gesetzes vom 18. Germinal des Jahrs X 
zur öffentlichen Ausübung der Kulte oder zur 
Unterkunft ihrer Diener benutzt werden (Kirchen, 
bischöfliche Paläste, Pfarrhäuser, Seminare), die 
Immobilien und Mobilien, die sie enthielten, als 
sie den Kulten zurückgestellt wurden, sind und blei- 
ben Eigentum des Staats, der Departements und 
der Gemeinden (Art. 12). Die Kultgebäude werden 
aber den öffentlichen Kultusanstalten und den an 
ihre Stelle tretenden Kultusvereinen unentgeltlich 
überlassen. Doch kann der Nießbrauch in bestimm- 
ten Fällen, so bei Nichtzustandekommen eines Kultus- 
vereins, Nichtgebrauch, Nichtunterhalt durch den 
Staatsrat, in andern Fällen durch Gesetz entzogen 
Trennung von Kirche und Staat. 
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werden. Die öffentlichen Kultusanstalten bzw. die 
an ihre Stelle tretenden nießbrauchenden Kullus- 
vereine sind verpflichtet, für den Unterhalt und 
die auf diesen Gebäuden und ihren Mobilien 
liegenden Lasten aufzukommen (Art. 13). Die 
bischöflichen Paläste werden den öffentlichen Kul- 
tusanstalten, sodann den Kultvereinen auf zwei 
Jahre, die Pfarrhäuser und großen Seminare auf 
fünf Jahre, jedoch mit Unterhaltspflicht überlassen. 
Nach Ablauf dieser Fristen fallen diese Gebäude an 
den Staat, die Departements und die Gemeinden 
zurück (Art. 14). — Titel IV handelt von den 
Kultusvereinen. Diese Vereine werden gebildet, um 
für die Kosten, den Unterhalt und die öffentliche 
Ausübung eines Kultus aufzukommen und müssen 
sich nach dem Bereinsgesetz vom 1. Juli 1901 kon- 
stituieren (Art. 18). Diese Vereine haben aus- 
schließlich die Ausübung eines Kultus zum Zweck 
und bestehen in Gemeinden von weniger als 1000 
Einwohnern aus 7 großjährigen und im kirchlichen 
Bezirk ansässigen Personen, bei Gemeinden von 
1000 bis 20 000 aus 15, bei Gemeinden von mehr 
als 20 000 Einwohnern aus 25 Personen. Sie 
können Beiträge, Erträge aus Sammlungen und 
Kollekten annehmen, Gebühren erheben für religiöse 
Veranstaltungen und Dienstleistungen, für Vermie- 
tung von Sitzplätzen, für Lieferung von Utensilien zu 
Beerdigungen, auch Stiftungen für religiöse Dienste 
annehmen. Sie dürfen den Überschuß an andere 
Kultvereine abgeben (Art. 19). Die Kultusvereine 
dürfen sich innerhalb der gesetzlichen Normen zu 
Verbänden mit zentraler Verwaltung oder Ober- 
leitung zusammensetzen (Art. 20). Die Kultus- 
vereine und Verbände haben jährlich den staatlichen 
Behörden Rechenschaft abzulegen (Art. 21). Die 
Kultusvereine und -verbände dürfen ihre verfüg- 
baren Geldmittel bis zu gewisser Höhe zur Bildung 
eines Reservefonds verwenden und unabhängig von 
den Reservefonds Reservekassen für Ankauf, Bau, 
Ausstattung oder Instandhaltung der beweglichen 
und unbeweglichen Güter bilden (Art. 22). Die 
zur Ausübung des Kultus verwendeten Gebäude, 
die dem Staat, den Departements oder den Ge- 
meinden gehören, sind von der Grund-, Tür= und 
Fenstersteuer befreit. Die Pfarrhäuser, Seminare, 
die dem Staat, den Departements oder den Ge- 
meinden gehören, sowie das Eigentum der Kultus- 
vereine unterliegen denselben Steuern wie das der 
Privatpersonen (Art. 24). — Titel V normiert die 
Kultuspolizei. Die Versammlungen zur Feier eines 
Kultus, die in den einem Kultverein gehörigen oder 
ihm zur Verfügung gestellten Räumen abgehalten 
werden, sind öffentlich. Sie sind von den Förmlich- 
keiten des Artikels 8 des Gesetzes vom 30. Juni 
1881 entbunden, bleiben aber der Aufsicht der Be- 
hörden im Interesse der öffentlichen Ordnung 
unterstellt. Sie dürfen nur stattfinden nach einer 
jährlich einmaligen Anzeige, die den vorgeschrie- 
benen Formen entspricht und das Lokal angibt, in 
dem die Versammlungen stattfinden sollen (Art. 25). 
Es ist verboten, politische Versammlungen in den 
Räumen abzuhalten, die für gewöhnlich der Aus- 
übung eines Kultus dienen (Art. 26). Die Feier- 
lichkeiten, Prozessionen und sonstigen äußerlichen 
Kundgebungen eines Kultus werden nach wie vor 
durch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen 
geregelt. Das Geläute der Kirchenglocken wird durch 
gemeindebehördliche Verordnung und im Fall von 
AUneinigkeit zwischen dem Bürgermeister und dem 
 
	        
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