Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

703 
Gewichtssystem eingeführt, doch sind die alten 
spanischen Maße und Gewichte noch allgemein im 
Gebrauch. Münzeinheit ist der Bolivar (= 80 
Pfennig). 
Literatur. I. Geschichte V.S von Baralt u. Ur- 
baneja (Caracas 1865), Tejera (ebd. 1875), de Rojas 
(ebd. 1888), auch in den Reisewerken von Humboldt, 
Oviedo y Banßos, Historia de la conquista (2 Bde, 
Madrid 1885); Haebler, Die überseeischen Unter- 
nehmungen der Welser (1903); Humbert, Les ori- 
gines du V. (Par. 1905). Über das 19. Jahrh.: 
Nosales (Caracas 1905); Fortoul, Hist. constitu- 
cional (I/II, Berl. 1907/09). 
II. Allgemeines usw.: K. F. Appun, Unter 
den Tropen 1 (1871); R. Lopez Borreguero, Les 
Indios Caribes (2 Bde, Madrid 1875); W. Sie- 
vers, V. (1888); ders., V. u. die deutschen Inter- 
essen (1903); P. de Cazeneuve, Les Etats-Unis de 
V. (Par. 1888); M. Landaeta Rosales, CGran re- 
Copilaciön geogräfica, estadistica 6 histöorica de 
V. (2 Bde, Caracas 1889); G. Marcano, Ethno- 
graphie précolombienne du V. (2 Bde, Par. 
1889); H. Wolff, Les Etats-Unis de V. (Brüssel 
1889); L. Roncayolo, Au V. 1876/92 (Par. 1894); 
W. E. Curtis, V. (Lond. 1896); Ch. M. Benard, 
Le V. (Bord. 1897); V., hrsg. vom Internation. 
Bureau der Amerikan. Republiken (Washington 
1904); W. L. Seruggs, The Colombian and Ve- 
nezuelan Republics (Boston 21905); M. Cané, 
Notas de viaje sobre V. yF. Colombia (Bogota 
17 ; Demografia Venezolana 1907 (Caracas 
190y; Anuario Estadistico de V. 1908 (ebd. 
1910). — Über Verfassung: L. Sanojo, De- 
recho constitucional (Caracas o. J.); J. G. For- 
toul (s. o.); Constituciön de los Estados Unidos 
de V. sancionada por el Congreso Nacional en 
1909 (Caracas 1909). 
II Knupfer, IIIIV Lins.] 
Verbrechen, politische. 1. Begriff. 
Wissenschaftliche Untersuchungen wollen festgestellt 
haben, daß der Ausdruck „politische Verbrechen 
bzw. Vergehen“ unter dem Einfluß einer 1822 
erschienenen Schrift Guizots De la peine de mort 
en matiere politique entstanden sei und erst seit- 
dem in öffentlichen Erörterungen angetroffen werde. 
Weder in Gesetzen noch in wissenschaftlichen Ab- 
handlungen (mit alleiniger Ausnahme einer solchen 
von Provot-Kluit von 1829) erscheine er vor dem 
Jahr 1830. Auch sei er bis dahin dem Völker- 
recht unbekannt gewesen. Das erste Gesetz, welches 
ihn verwertete, wäre hiernach die Charte über die 
Errichtung des Julikönigtums von 1830 gewesen. 
Sie bestimmte, daß alle „politischen Vergehen“ 
von Geschworenen beurteilt und daß bei diesen 
Verbrechen Auslieferungen nicht stattfinden sollten. 
In Deutschland hatte der Ausdruck zum erstenmal 
Aufnahme gefunden in dem Beschluß der Bundes- 
versammlung vom 5. Juli 1832 über Maßregeln 
zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung 
und Ruhe in Deutschland, der dann für Preußen 
durch Publikationspalent vom 25. Sept. 1832 
gesetzliche Geltung erhielt. In ihm hieß es, daß 
auf Fremde, welche sich wegen „politischer Ver- 
gehen oder Verbrechen“ in einen der Bundes- 
  
Verbrechen, politische. 704 
staaten begeben hätten, besondere Aufmerksamkeit, 
namentlich in Beobachtung der Paßvorschriften, 
zu wenden sei, und es machten sich darin die Bun- 
desregierungen verbindlich, diejenigen, welche in 
einem Bundesstaat „politische Vergehen oder Ver- 
brechen“ begangen und sich, um der Strafe zu 
entgehen, in andere Bundeslande geflüchtet hätten, 
auf erfolgende Requisition, insofern es nicht eigne 
Untertanen seien, ohne Anstand auszuliefern. Des 
weiteren findet sich ein preußisches Publikations= 
patent vom 15. März 1834 wegen der von 
Preußen mit Osterreich und Nußland getroffenen 
Stipulationen hinsichtlich der Auslieferung „poli- 
tischer Verbrecher“ und ein solches vom 28. Okt. 
1836 betr. den Bundestagsbeschluß wegen Be- 
strafung von Vergehen gegen den Deutschen Bund 
und wegen Auslieferung „politischer Verbrecher“ 
auf dem deutschen Bundesgebiet. Auch der preu- 
Kßisch-belgische Auslieferungsvertrag vom 29. Juli 
1836 enthält in Art. 7 eine Bestimmung in An- 
sehung „politischer Verbrechen“; es soll die Kon- 
vention keine Anwendung finden auf Individuen, 
die sich irgend ein solches Verbrechen oder ein an- 
deres Verbrechen, das mit einem politischen in 
Verbindung steht, haben zuschulden kommen 
lassen. Dieser Grundsatz ist dem belgischen Aus- 
lieferungsgesetz von 1833 entnommen und von 
dort aus allmählich in sämtliche Auslieferungs- 
verträge übergegangen. In § 179 der von der 
deutschen verfassunggebenden Nationalversammlung 
zu Frankfurt a. M. beschlossenen und verkündeten 
Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 
1849 sodann heißt es, daß Schwurgerichte „jeden- 
falls in schwereren Strassachen und bei allen poli- 
tischen Vergehen urteilen“ sollen. Und die preußi- 
sche Verordnung über einige Grundlagen der 
künftigen preußischen Verfassung vom 6. April 
1848 brachte in § 2 die Vorschrift, daß die Unter- 
suchung und Bestrafung aller Staatsverbrechen 
fortan durch die ordentlichen Gerichte erfolgen und 
daß im Bezirk des Appellationsgerichtshofs zu 
Köln auch bei „politischen“ und Preßverbrechen so- 
wie bei „politischen“ und Preßvergehen die Zu- 
ständigkeit der Geschworenengerichte eintreten soll. 
Im Anschluß hieran erklärte sodann die preußische 
Verordnung vom 15. April 1848 betr. das Ver- 
fahren bei „politischen“ und Preßvergehen in 
der Rheinprovinz usw. in § 2, was im Sinn des 
§*2 jener Verordnung vom 6. April 1848 unter 
„politischen Vergehen“ zu betrachten sei. Ahnlich 
bestimmte sodann sowohl die oktroyierte preußische 
Verfassung vom 5. Dez. 1848 wie die revidierte 
vom 31. Jan. 1850 die Kompetenz der Schwur- 
gerichte bei allen „politischen“ und Preßvergehen. 
Auch das Einf. Ges. zum preußischen Strasgesetz- 
buch vom 14. April 1851 bestimmte in Art. XIX, 
daß als „politische Vergehen“ gewisse nach dem 
Strafgesetzbuch näher bezeichnete strafbare Hand- 
lungen vor die Schwurgerichte gehören sollten, und 
das diese Kompetenz wieder ändernde Gesetz bom 
6. März 1854 behielt den Ausdruck „politische
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.