Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Für Deutschland ist somit durch die Allgemeine 
deutsche Wechselordnung ein einheitliches Wechsel- 
recht geschaffen. Zwar findet sich in dem Wechsel- 
recht aller Länder, der europäischen sowohl wie der 
außereuropäischen, in den Hauptgrundsätzen eine 
Übereinstimmung, wie das durch die Natur des 
Wechsels und seinen einheitlichen Ursprung schon 
von selbst begründet wird; allein nichtsdestoweniger 
haben doch die verschiedenen Handels= und Ge- 
schäftsgebräuche der einzelnen Länder sowie die 
verschiedenen Rechtsanschauungen, die zur Zeit der 
Kodifikation in den einzelnen Staaten herrschten, 
zum Teil aber auch bloße Willkürlichkeiten bei der 
Gesetzgebung zu erheblichen Abweichungen von- 
einander geführt, die bei der fortschreitenden Aus- 
bildung des kosmopolitischen Charakters unseres 
Handels sich in der Handelswelt vielfach unange- 
nehm fühlbar machen. Bestrebungen zur inter- 
nationalen Vereinheitlichung des Wechselrechts be- 
schäftigten deshalb im letzten Drittel des 19. Jahrh. 
die Handelswelt und die Juristen lebhaft, blieben 
aber ohne Ergebnis. Auf Anregung Deutschlands 
und Italiens kam 1910 im Haag eine internatio- 
nale Wechselrechtskonferenz zustande, an der von 
wichtigen Staaten nur Rumänien fehlte und die 
einen Vorentwurf eines einheitlichen Wechselrechts 
aufstellte. Eine spätere Konferenz soll den defini- 
tiven Entwurf ausfstellen. 
Im wesentlichen lassen sich die Wechselrechts- 
gesetzgebungen in drei große Gruppen teilen, in 
die deutsche, die französische und die englische 
Wechselrechtsgruppe. Von den Grundsätzen der 
deutschen Wechselordnung ist insbesondere die Ge- 
setzgebung in Osterreich und Ungarn, der Schweiz, 
Dänemark, Norwegen und Schweden, Italien, 
Rußland, Finland, Chile und Malta getragen. 
Das französische Wechselrecht des Code de com- 
merce ist zur Grundlage genommen namentlich 
von den Gesetzgebungen in Belgien, Holland, 
Luxemburg, Spanien, Portugal, Griechenland, 
Rumänien, Russisch-Polen, in der Türkei, einem 
Teil der Schweiz, Brasilien, Peru, Argentinien, 
Colombia, Bolivia, Mexiko, Agypten, Monaco, 
während Serbien zum Teil dem deutschen, zum 
Teil dem französischen Wechselrecht folgt. Der 
Gruppe des englischen Wechselrechts, das erst im 
Jahr 1882 kodifiziert worden ist (englische 
Wechselordnung vom 18. Aug. 1882), sind außer 
den englischen Kolonien die Vereinigten Staaten 
von Amerika gefolgt. Eine eingehende Ubersicht 
des geltenden ausländischen Wechselrechts gibt 
Borchardts „Vollständige Sammlung der gelten- 
den Wechsel= und Handelsgesetze aller Länder“ 
(21883, 1906 neu herausgeg. von Kohler unter 
dem Titel: Die Handelsgesetze des Erdballs). 
2. Beschaffenheit, Wesen, Bedeutung. 
In seiner ursprünglichen Form ist der Wechsel ein 
brieflicher oder schriftlicher Auftrag an eine dritte 
Person, dem Nehmer, Inhaber des Wechsels eine 
bestimmte Zahlung zu leisten. Der Aussteller des 
Wechsels beauftragt den Bezogenen, die Wechsel- 
Wechsel usw. 
  
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summe an den Remittenten zu bezahlen, und steht 
dem letzteren dafür ein, daß die Zahlung wirklich 
erfolgt. Der Remittent hat sich zur Verfallzeit 
bei dem Bezogenen zur Empfangnahme der Zah- 
lung zu melden; wenn dieser die ihm aufgetragene 
Zahlung nicht leistet, den Wechsel unter Protest 
gehen läßt, so tritt für den Aussteller die Ver- 
pflichtung zur Zahlung ein. Diese Form des 
Wechsels ist die Tratte (trassierter, gezogener 
Wechsel) und die weitaus wichtigste, im Geschäfts- 
verkehr fast allein noch gebräuchliche Art des Wech- 
sels. Ihr gegenüber steht der eigne Wechsel, auch 
trockener oder Solawechsel genannt, worunter die 
schriftliche Erklärung des Ausstellers zu verstehen 
ist, daß er in eigner Person zur Verfallzeit die 
Wechselsumme zahlen werde, so daß also nicht wie 
bei der Tratte ein Zahlungsauftrag, der nur ein 
eventuelles Zahlungsversprechen des Ausstellers 
— für den Fall der Nichthonorierung des Wech- 
sels von seiten des Bezogenen — in sich schließt, 
sondern ein direktes Zahlungsversprechen vorliegt. 
Bei dem eignen Wechsel kommen unmittelbar nur 
zwei Personen vor, der Aussteller und der Emp- 
fänger, von denen ersterer gewöhnlich Schuldner 
des letzteren ist, der durch die Wechselsumme be- 
friedigt werden soll. Am Verfalltag hat der Emp- 
fänger den Wechsel dem Aussteller selbst, nicht 
wie bei der Tratte einem Dritten, zu präsentieren 
und die Wechselsumme zu empfangen. Es kann 
zwar auch der eigne Wechsel durch Indossament 
weiterbegeben (giriert) werden, und es haftet so- 
dann auch der Indossant dem Wechselinhaber für 
die Zahlung, tatsächlich aber ist das Giro des 
Solawechsels im Geschäftsleben nur selten; viel- 
mehr bildet, wie gesagt, die Tratte die Grund- 
form des Wechselverkehrs. Nach der deutschen 
Wechselordnung und den ihr folgenden Wechsel- 
gesetzen der andern Länder sind die wesentlichen 
Erfordernisse für die Gültigkeit der Tratte fol- 
gende: Das Papier muß ausdrücklich die Be- 
zeichnung „Wechsel“ enthalten („Gegen diesen 
Wechsel zahlen Sie“ usw.). Es muf ferner die 
zu zahlende Geldsumme angeben (Wechselsumme)h. 
Der Wechsel kann nur auf eine Geldsumme, nicht 
auf eine Quantität von Waren oder Wertpapieren 
lauten; auch muß die Summe genau und ein- 
heitlich bestimmt sein und darf nicht dem Ergebnis 
von außerhalb des Wechsels liegenden Verhält- 
nissen überlassen werden. Jedoch macht ein in dem 
Wechsel zu der Hauptsumme gegebenes Zins- 
versprechen den Wechsel nicht ungültig, vielmehr 
gilt dasselbe nur als nicht abgegeben. Wesentlich 
ist ferner die Bezeichnung des Remittenten, also 
der Name der Person oder der Firma, an welche 
oder an deren Order gezahlt werden soll. Un- 
zulässig ist der sog. Blankowechsel, in welchem für 
die Benennung des Remittenten ein leerer Raum 
gelassen ist. Der Aussteller des Wechsels kann 
aber die Ausfüllung dem Nehmer des Wechsels 
überlassen; nur muß die Ausfüllung vor Geltend- 
machung des Wechsels erfolgt sein. Auch juri- 
 
	        
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