— 38 —
b. Der Stellvertreter des Reichskanzlers muß sich durch
dessen schriftliche Vollmacht legitimieren können. Demnach
würde Bayern auch dann mit seinem Anspruch auf den Vorsit
durchdringen, falls zwar ein preußischer Vertreter damit beauf-
tragt worden wäre, dieser sich aber in nicht ausreichender Weise
ausweisen könnte. m*„„m
Jc. Auch Bayern bedarf einer Vollmacht des Reichskanzlers
im Falle seines Vorsitzes gemäß Schlußprotokoll Ziffer IX,
nur sind der Kanzler oder sein Vertreter verpflichtet, Bayern
den Vorsitz zu überlassen. 5) »
d. Eine schriftliche Vollmacht in den erwähnten Fällcn
ist überflüssig, wenn der Reichskanzler während seiner Anwesen—
heit in einer Sitzung jemanden substituiert, da hier die Stell—
vertretung sogleich offenkundig wird.
e. Es ist noch zu erwähnen, daß man immer Bayern
entgegenkommenderweise durch Substitution den Vorsitz überläßt,
falls der Reichskanzler -oder sein gewöhnlicher Vertreter, der
Staatssekretär des Innern, verhindert sind. Ein Zwang hierzu
besteht jedoch nicht. 8)
k. Auch im Falle des Vorsitzes des bayerischen Vertreters
behält Preußen das Präsidium und die damit verbundenen
Rechte, z. B. sein Veto gemäß Art. 5 Abs. 2.97) Bayern hat
dann also nicht das Vizepräsidium, sondern nur den stellver-
tretenden Vorsitz im Bundesrate.
g. Durch § 4 St. V. Ges. wird selbstverständlich nicht nur
Art. 15 Reichsverf. aufrecht erhalten, sondern ebenfalls die
Bestimmung des Schlußprotokolls Ziffer IX, da Art. 15 dadurch
nur ergänzt wird.ös)
65) So ist die allgemeine Auffassung. A. A. v. Seydel, Komm., S. 169.
Dieser Schriftsteller führt seine Ansicht aber nicht konsequent durch, sonst
müßte er auch für den Vertreter Preußens eine schriftliche Vollmacht für
überflüssig erklären, während er aber im Gegenteil die Ansicht vertritt, „daß
nur der mit schriftlicher Vollmacht versehene Vertreter Preußens den Vor-
rang vor Bayern behaupten kann.“
66) Vgl. Jagemann, S. 84; Dambitsch, S. 324.
67) Laband, Staatsr. I. S. 279; Arndt, Staatsr., S. 96, Komm.,
S. 90, 141; M. Müller, S. 54.
68) Vgl. Sten. Ber. des Reichstags vom 9. März 1878, S. 420.
Hier erwiderte Fürst Bismarck auf die Ausführungen des bayerischen Mi-