Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Die Truppen zogen begeistert herrlichen Taten entgegen, 
beneidet von den Zurückbleibenden, deren starke Stellung 
der Gegner nicht anzugreifen wagte. Die sächsischen Land- 
wehrtruppen kehrten aus der Herbstschlacht in der Cham- 
pagne ruhmbeladen zur 47. Landwehrbrigade zurück. Die 
Landwehrleute hatten an festem Willen und beharrlicher 
Auodauer es allen übrigen in der Champagne eingesetzten 
Truppen gleichgetan. Die Berichte der Bataillone geben 
ein ergreifendes Bild der furchtbaren Kampftage wieder 
und der fast ebenso schrecklichen Zeit nachher, in der es 
galt, die zerschossenen Kampfgräben wieder verteidigungs- 
fähig zu machen. Die Erde zermürbt, die Unterstände ver- 
schüttet und voller Leichen, ebenso die Gräben und das 
Vorgelände, überall ein entsetzlicher Leichengeruch, kein Was- 
ser, kein warmes Essen, Verbindung weder zwischen den 
einzelnen Kampfgruppen noch nach rückwärts, dazu das 
umunterbrochene wilde Feuer der französischen Artillerie und 
der dicht vor der unfertigen eigenen Stellung nur 10 bis 20 
Meter entfernt stehende Feind, das ist das Bild, welches 
in allen Gefechtoberichten der heimbehrenden Bataillone wie- 
derkehrt. Aber Ausdauer und kameradschaftliches Eintreten 
überwanden alles. Die Hilfsbereitschaft, welche unsere Wehr- 
leute in dieser schrecklichen Zeit betätigten, wurde auch von 
den benachbarten Truppen besonders anerkannt. Unermüd- 
lich trugen die Wehrleute die unglücklichen Verwundeten 
durch die engen Verbindungswege in dem nie unterbrochenen 
feindlichen Feuer zurück und gruben wiederholt im schärfsten 
Feuer Unglückliche aus verschütteten Unterständen aus. 
Die Teilnahme von Teilen der 47. Landwehrbrigade 
an der Herbstschlacht in der Champagne im einzelnen 
II. Bataillon Landwehr-Infanterie- 
regiments 106. 
Das Bataillon wurde am 20. September mit der Bahn 
nach Somme-Py befördert und zunächst nach dem Sachsen- 
lager etwa ein Kilometer ösilich Navarin-Ferme noch an 
demselben Abend herangezogen. Dort bildete eo mit einem 
aus sächsischen Kavalleristen zusammengestellten Bataillon 
v. Humbracht ein neuzusammengestelltes Regiment im 
Rahmen der Division v. Aebert des VIII. Armeekorps. Die 
Franzosen hatten gegenüber der deutschen Stellung, die 
im großen Bogen nördlich um Souain verlief, ihre Lauf- 
gräben seit vier Wochen bis auf Sturmentfernung vor- 
getrieben. Die deutsche Stellung war nur flach auogebaut, 
vor allem fehlte es an Verbindungsgräben. Die Mann- 
schaften wurden deshalb sofort zum Ausbau herangezogen. 
was der Gegner durch das bereits am 21. September ein- 
setzende Trommelfeuer mehrfach wirksam verhinderte. 
Als der Feind am 25. September den Durchbruch der 
Stellung durchführte, wurde gegen Mittag das Bataillon 
aus der Bereitstellung vorgezogen, gelangte aber nur noch 
bis in die Reservestellung der Division südlich des Sachsen- 
lagers, weil die vordere Stellung inzwischen verloren- 
gegangen war. Dort wies das Bataillon am folgenden 
Tage, zwischen Teilen des Infanterieregiments 184 und 
Reserve-Infanterieregiments 117, alle Angriffe des Geg- 
ners ab. 
Ja es gelang sogar an diesem Tage wie auch an den 
folgenden, Gefangene zu machen, 29. Jäger vom VI. fran- 
zösischen Korps, meist Rekruten von lols, gut genährte 
und gut ausgerüstete Truppen mit Stahlhelmen. Die Ge- 
fangenen sagten aus, daß hier drei Regimenter angegriffen 
hätten 
Am 28. September beteiligte sich ein Teil des zäh aus- 
haltenden Bataillons sogar an einem Gegensioß, der leider 
im feindlichen Maschinengewehrfeuer zusammenbrach. 
Erst am 30. September wurde das zu Tode erschöpfte 
267 
Bataillon aus der vordersten Kampflinie, die es unerschütter- 
lich gehalten hatte, herausgezogen und nach St. Etienne 
zum Ausruhen zurückgeschickt. 
II. Bataillon Landwehr-Infanterie- 
regiments 104. 
Das Bataillon, mittels Bahn und zuletzt mit Fußmarsch 
bei Beginn der Durchbruchskämpfe in der Champagne ber- 
angebracht, erreichte am 25. September gegen s Uhr nach- 
mittags als erste eintreffende Unterstützung die Reserve- 
stellung des Reserve-Infanterieregiments 133 im Abschnitt 
der 24. Reservedivision des XII. Reservekorps. Der Feind 
hatte an mehreren Stellen die vorderen Gräben überrannt 
und sollte noch vor Abend durch einen Gegenstoß zurück- 
geworfen werden. Schon vor dem Eintreffen des Bataillons 
hatten Reserve-Infanterieregiment 133 und Teile des Re- 
serve-Infanterieregiments 102 die Franzosen größtenteils 
zurückgeworfen. Das Bataillon säuberte den Raum zwischen 
der vorderen und Zwischenstellung von durchgedrungenen 
Franzosen und befreite vier Geschütze der I. Abteilung Feld- 
artillerieregiments 40 mit dem überlebenden Rest ihrer 
Bedienung. Eo erlitt an diesem ersten Kampftage einen 
Gesamtverlust von 9 OÖffizieren, 20 Unteroffizieren und 
384 Mann. In der nächsten Nacht mußte das Bataillon 
auf ausdrücklichen Befehl der Division die wiedererkämpfte 
Kampfstellung räumen, weil das Nebenkorps auf die weiter 
rückwärts gelegene Reservestellung zurückgegangen war. Die 
Ausführung dieses Befehls erfolgte unter Mitnahme sämt- 
licher Maschinengewehre, alles Fernsprech= und sonst wich- 
tigen Geräto, ohne daß der Feind nachdrängte. 
Es wurde nunmehr die Zwischenstellung besetzt und bis 
zum Morgen des 27. September gehalten, wo durch In- 
fanterieregiment 193 Ablösung eintrat. 
Die nächsten Tage lag das Bataillon in der Reserve- 
siellung. Der Aufenthalt dort stellte bei dem nie unter- 
brochenen Trommelfeuer die härtesten Ansprüche an die 
Nerven jedes einzenin. Am 3. Ok.ober kehrt: das Bataillon 
dann mit Kraftwagen und Eisenbahn zur verstärkten 47. 
Landwehr-Infanteriebrigade zurück. 
I. Bataillon Landwehr-Infanterie- 
regiments 106. 
Als am 6. Oktober 1915 der große Durchbruchoversuch 
der Franzosen in der Champagne nochmals auflebte, wurde 
das I. Bataillon Landwehr-Infanteri ts 106 nach dem 
Abschnitt des Reserve-Infanterieregiments 104 (24. Ne- 
servedivision, XII. Reservelorps) über die Mühle von St. 
Souplet nach dem Kampfgraben östlich von Aubérive her- 
angezogen. In der Nacht zum 8. Oktober erreichte das 
Bataillon die Unterstände der Regimentsreserve. Dort muß- 
ten auf engstem Naume die Leute sich zusammendrängen 
und auch noch den zahlreichen Versprengten anderer Trup- 
penteile Aufnahme gewähren. Der Morgen des 8. Oktober 
entschleierte ein wüstes Bild. Das Waldlager, das in ruhiger 
Jeit ein ganz angenehmer Aufenthalt gewesen sein mochte, 
war besät mit französischen und deutschen Waffen, Män- 
teln und Ausrüstungsstücken aller Art. Patronen lagen 
zu Tausenden herum. Die Bäume des Waldes selbst waren 
massenhaft durch die Granaten umgeknickt. Der Tag ver- 
ging mit Einrichten und Aufräumen. Sächsischer Ordnungs-- 
sinn bewältigte endlich das gröbste Durcheinander und den 
ärgsten Schmutz. Bei angespanntester Arbeit gab es viel 
Neues und Ungewohntes zu erleben, besonderes Vergnügen 
machten den Leuten die zahlreich herumliegenden französi- 
schen Stahlhelme mit der platzenden Bombe als Stirn- 
schmuck, dem „Radieschen“, wie sie der Soldatenwitz mitten 
im Trommelfeuer taufte. 
Schon in der Nacht zum 9. Oktober wurde das Batail- 
lon in vorderste Linie vorgezogen und kam gegenüber dem 
  
 
	        
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