Sumpfgelände nicht recht vorwärts kam, erhielt die 58.
Infanteriedivision den Befehl, zusammen mit der 1. Land-
wehrdivision den Brückenkopf von Tykotzin baldmöglichst in
Besitz zu nehmen. Während die 1. Landwehrdivision nach
kurzem Kampfe in Tykotzin eindrang, vermochte die S8. In-
fanteriedivision erst nach schwerem Kampfe die Höhen bei
Sjerki zu erstürmen. Bis zum Abend war der nördliche
Teil der Narewhalbinsel südöstlich von Tykotzin vollstän-
dig vom Feinde gesäubert. Der Armeeoberbefehlshaber, der
General der Artillerie v. Scholtz, traf an diesem Tage an
der Gefechtsfront der Division ein und sprach sich äußerst
befriedigt über ihre Erfolge aus.
Nunmehr galt es, möglichst schnell über den Narew in
Nichtung auf Bialystok vorzudringen, um Hand auf die-
sen wichtigen Bahn= und Handelsmittelpunkt zu legen. Der
24. August verging mit dem Bau von Brückenstegen bei
Babino und bei Joltki, welchen die feindliche Artillerie jen-
seits des Flusses hartnäckig zu stören suchte. Tags darauf
überschritt die Division bei Babino und Zendziany den Na-
rew und griff zunächst mit dem I. Bataillon Infanterie-
regiments 107 in den Kampf der 75. Reservedioision ein.
III. Bataillon Infanterieregiments 107 erstürmte dabei den
Kirchhof und die Höhe 136 westlich des Ortes, erbeutete
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drei Maschinengewehre, nahm 2 Offiziere und 140 Mann
gefangen und stieß durch die Stadt bis in die Waldstücke
östlich davon durch. Von der Schwierigkeit des dortigen
Flußgeländes macht man sich nur schwer eine Vorstellung.
So bestand der Übergang bei Zoltki aus einem 1500 Meter
langen Damm, in dem fünf Holzbrücken von 40 bis 120
Meter Länge über offenes Wasser eingebaut waren. Die
Brücken waren natürlich sämtlich vorher von den Nussen
niedergebrannt worden. Aber die deutscherseits schnell her-
gestellten Brückenstege konnten nur die Fußtruppen über-
gehen, alle berittenen Truppen und alle Fahrzeuge mußten
den Umweg über die Brücke von Kruschewo machen.
Am 26. August überschritt die 58. Infanteriedivision
die Biala und erreichte mit ihrem rechten Flügel das lang
ersehnte Bialystok, aber am Abend traf schon der Befehl ein,
welcher die Division aus der vorderen Gefechtslinie heraus-
zog und zunächst im Naume um Fasti—Choroscz südlich
der Suprasl bereitstellte. Von dort aus wurde die 58. In-
fanteriedivision über Knyszyn und Osowiec nach der ost-
preußischen Grenze in der Zeit zwischen 27. und 30. August
zurückgeführt, um am 31. August von den Einladepunkten
Ruda, Grajewo und Prostken aus auf einen neuen Kriegs-
schauplatz abbefördert zu werden.
Die 58. Infanteriedivisson im Wilnafeldzug, September 1015
(Skizze 52)
Noch waren die sächsischen Marschkolonnen im Vormarsch
auf Bialystok, da setzte schon die neue Gruppierung der
Hindenburgarmeen zu dem Kesseltreiben zwischen Wilna
und dem Oberlauf des Niemen ein. «
Während rechter Flügel und Mitte der deutsch-öster-
reich-ungarischen Armeen von Czernowitz bis nördlich von
Baranowitschsf in die neue fast gradlinige Südnord-Abwehr-
linie einrückten, drückte Hindenburgs rechter Flügel, die
12. Armee Gallwitz, über Wolkowysk auf Nowo Grudok die
fliehenden Russen allmählich nordwärts in das unwegsame
Gebiet nördlich des oberen Niemen.
Die achte Armee Scholtz schob sich links und fesselte
zwischen Grodno und Lida die Mitte der russischen Nord-
front. Die zehnte Armee Eichhorn schloß mit gleichem
Auftrag links von Olita bis Wilbomierz an, den Feind bei
Wilna festhaltend. Die Niemenarmee Belows drang gleich-
zeitig gegen die Düna unterhalb von Dünaburg vor und
sicherte die linke Flanke der zehnten Armee, deren ver-
stärktem linken Flügel die Ausabe zugedacht war, durch
überraschendes Vorbrechen über Smorgon-Molodetschno in
Richtung auf Minsk den Ring um das russische Nordheer
zu schließen.
Zu diesem linken Umgehungeflügel gehörte die sächsische.
58. Infanteriedivision, welche dicht hinter dem Heeres-
kavalleriekorps 6 des Generals von Garnier die Spitze der
Vorstoßgruppe Eichhorns bildete. .
Die Flieger Eichhorns hatten rechtzeitig alle Bahnver-
bindungen auf Minsk im Rücken der Russen unterbrochen
und von Norden her war das Kavalleriekorps Garnier
gegen Rücken und Nordflanke der Russenmasse im An-
marsch. Garnier unterbrach bis 15. September die russi-
schen Bahnverbindungen östlich von Wilna, bei Molo-
detschno, Smorgon und Soly. Zu gleicher Zeit drückte
Eichhorn von West und Nord auf Wilna und östliches
Hinterland, Scholtz von Westen her gegen Lida und Gall-
witz von Südosten her auf Nowo Grudok. Ein neues
Riesen-Canné schien sicher. Aber die Russen hatten in den
12 Monaten bitterer Hindenburg-Schule viel gelernt, ins-
besondere das rechtzeitige Ausreißen. Sie entzogen sich im
lehten Augenblick der Einkreisung durch die Flucht, indem
sie ihre Uberzahl, ihre mächtigen rückwärtigen Reserven und
ihr Bahnnetz dazu ausnutzten, sich östlich von Wilna, im
Raume von Smorgon—Molodetschno ein Loch zum Durch-
schlüpfen wenigstens von Trümmern freizumachen.
Dort stieß die russische Ubermacht auf das Kavallerie=
korps Garnier und die Sachsen der §38. Infanteriedioision.
Sie mußten nach Tagen heldenmütigen Ausharreno schließ-
lich die Bahn den verzweifelten Russen freigeben. Ihr toll-
kühner Vorstoß in Flanke und Rücken des Nussenheeres war
aber nicht umsonst gewesen, 40 000 Gefangene, zahlreiche
Geschütze, über 100 Maschinengewehre, Tausende von Fahr-
zeugen und fast das gesamte Heeresgerät der Nussen blieben
in den Händen der Hindenburgarmeen. —
Soweit der Verlauf des Wilnafeldzuges im Großen.
Die S8. Infanteriedivision unterstand bei diesem Feldzuge
dem I. Armeekorps General der Infanterie v. Eben, Stabs-
chef Oberst Wachs.
Die Gefechtsstärke der s 8. Infanteriedivision betrug im
Wilnafeldzug 181 Offiziere, 9993 Mann, 31 Maschinen-
gewehre, 45 Feld= und 8 schwere Geschütze. Sie war also
um 72 Offiziere und 1022 Mann und 2 Feldgeschäütze
schwächer als bei Beginn des Narewfeldzuges.
Die Division fuhr zunächst mit der Bahn über Goldap
Gumbinnen nach Kowno. Die Fahrt erlitt bedeutende Ver-
zögerungen dadurch, daß die von den Russen gründlichst
zerstörte Bahnlinie noch nicht wieder ganz hergestellt und
in ihrem letzten Teile nur eingleisig zu befahren war. Der
Bahnhof von Kowno konnte noch nicht benutzt werden,
da die hohe Eisenbahnbrücke über das tief eingeschnittene
Niemental gesprengt war. Infolgedessen wurde auf freier
Strecke und an einigen weiterzurückgelegenen Haltepunkten
ausgeladen. Die Leerzüge mußten auf der eingleisigen
Strecke erst zurückgeführt werden, ehe der nächste Zug vor-
fahren konnte. Gleichzeitig mit der §8. Infanteriedioision
wurden bereits Teile der 2. Infanteriedivision und der
Kavalleriedivisionen befördert, welche zu dem Kapvallerie=
korps 6 des Generals von Garnier stoßen sollten, das auf
dem Nordflügel der Armee v. Eichhorn in der Versammlung
begriffen war. Außer den Truppen hatte diese eingleisige
Bahn für die zehnte Armee noch den gesamten Heeresbedarf