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in Sicht. Mit einem Kolbenschlage wurde diese verlöscht,
und klirrend fielen die Glassplitter auf die Steine des
Fußweges. Kurz bevor die Stelle erreicht war, wo Seiten-
straßen links und rechts einmünden, war die Straße auf-
gerissen und zu einem Hindernis aufgeworfen, welches
nur in der Mitte eine Gasse von etwa 3 Meter Breite auf-
wies. Durch diese hindurch mußte sich nun die Truppe
hindurchzwängen. Kaum hatten die ersten Pioniere dieselbe
durchschritten, so krachten hinter ihnen drei Gewehrschüsse
aus den Obergeschossen der an der Straße stehenden Häuser.
Dies war wohl das Zeichen zur Eröffnung des Feuero
auf unsere Leute. Denn im Nu krachte und blitzte es von
allen Seiten aus den Fenstern. Etliche der voranmarschie-
renden Schützen glitten aus und stürzten. Durch die nach-
drängenden Leute entstand eine kurze Stauung. Doch schnell
hatte sich alles wieder aufgerafft, und nun wurde das
Feuer auf die sekundenlang vom Abschuß beleuchteten
Fenster beantwortet. Inzwischen war die Straßenkreuzung,
an der wieder eine Gasflamme brannte, erreicht. Bald
war auch sie zum Verlöschen gebracht. Das wohl-
gezielte Feuer der Pioniere und Schützen und die ganz
vortrefflich wirkenden Handgranaten, die in die Häuser
geschleudert wurden, erstickten in ungefähr 15 Minuten
die meist aus Jagdgewehren mit Schrot abgegebenen plan-
losen Schüsse aus den Fenstern. Nur vereinzelt spritzten
sie noch gegen die Wände, von denen Mörtel, Steinstücke
und Glaosplitter herunterfielen.
MWeährend der kurzen Stauung waren naturgemäß Hand-
granaten verloren worden. Diese wurden jetzt aufgehoben
und in die Häuser geschleudert, aus denen das Gewehrfeuer
noch nicht nachlassen wollte. Teile des Erkundungstruppe
waren bis zu der etwas südlicher liegenden Brücke vor-
gedrungen und hatten festgestellt, daß diese noch gangbar
sei. Von dem gegenüberliegenden Ufer der Maas aus
wurde die Brücke mit Maschinengewehrfeuer gesperrt.
Bald erklang das Hornsignal „Vorgehen“, das vorher
bekanntgegebene Zeichen zum Nückmarsch. Unter Mitnahme
sämtlicher Toten und Verwundeten verließen die Schützen
und Pioniere die Stadt auf demselben Wege, wie sie
gekommen waren.“
Unternehmung gegen die Brücke von Anseremme
Die Unternehmung gegen die Brücke von Anseremme
umspült hier die Hochfläche von Onhaye im Abstand von
etwa " Kilometer auf der Südseite wie auf der Dinantfront
in gleichem Abstand von Osten her. Auch hier erscheint, von
dem östlichen Anmarschgelände aus gesehen, das hoch-
gelegene Dorf Onhaye wie eine Festung. Ihre Vorwerke
bilden gleichsam das Dorf Lenne, dicht über der Maas-
rundung, in der Mitte des Abschnittes und am Südende des-
selben das Dorf Insemont, hoch über dem engen Tal bei
Hastière auf schroffem Berghang breithin gelagert.
OÖstlich der Maas, in dem Raume, durch den die Divi-
sionen des XIX. Armeekorps anrückten, erschweren das tief-
eingeschnittene Tal des Lessegrundes und das Gewirr der
bewaldeten Höhen zwischen schroffen Einsenkungen des
Kreidemassivs sowie das quer zur Vormarschrichtung nach
den Maasbrücken von Anseremme und Hastière verlaufende
Straßennetz die Vorwärtsbewegung ganz bedeutend. Zwischen
beiden Brücken bieten breitgelagerte Höhenrücken gute
Artilleriestellungen, um den Gegner auf der Hochfläche
jenseits der Maas zu bekämpfen, nicht aber, um in einen
Kampf um das tiefeingeschnittene Flußufer und die Ufer-
dörfer eingreifen zu können.
Die 24. Infanteriedivision, welcher der rechte Abschnitt
des XIX. Armeekorps zufiel, beauftragte das 107. Infan-
terieregiment unter Oberst Löffler und im Linkoanschluß
an dasselbe das Jägerbataillon Nr. 12 mit der Erkun-
dung gegen die Brücke von Anseremme.
Das Infanterieregiment 107 hatte nach sehr anstrengen-
dem Marsche am Spätnachmittag des 21. August Sorinne
erreicht und wurde am Abend nach Dräéhance vorgezogen.
Von dort aus wurden das I. und III. Bataillon gegen
die Brücke angesetzt, das III. Bataillon rechts, dao I. Ba-
taillon links.
Auch hier soll ein Teilnehmer den Eindruck seines ersten
Gefechtstages wiedergeben: „11 Uhr 30 Minuten abendo
sollte mit größter Stille und unter Vermeidung jeden
Schießens der Vorstoß gegen das Maaa#ufer angetreten
werden. Es war ein gespensterischer Marsch. Lautlos zogen
die Bataillone durch das scheinbar verlassene Anseremme
und verschwanden im Nebel des Maastales. Zur rechten
Hand leuchtete das brennende Dinant. Von der zweiten
Armee, die dem Feind schon vor der Klinge hatte, rollte
unaufhörlich Kanonendonner herüber. Nachdem die Lesse
überschritten war, tauchten im Nebel die Bogen der ge-
suchten Eisenbahnbrücke auf. Das I. Bataillon erhielt von
fiel in den rechten Divisionsabschnitt des XIX. Armeekorps.
Dinant, Bayardfelsen
Der Maagabschnitt vor seiner Front, von Anseremme bis
Hastière, gab der Oinantfront an Schwierigkeit nichts
nach. Hier windet sich die Maas in fünf Bogen durch das
etwa 150 Meter den Fluß überhöhende Bergland. Sie
hier aus starkes Feuer. Zunächst wurde
angenommen, daß das III. Bataillon die
Brücke bereits besetzt und irrtümlicherweise
auf das I. Bataillon geschossen habe. Als
auf das Zurufen der Parole deutsche Laute
zurückschallten, wurde der Weitermarsch an-
getreten. Als aber mit jedem Schritt vor-
wärts das Feuer von der Brücke heftiger
wurde und die ersten Verluste eintraten,
wurde es allen klar, daß der Feind noch
die Brücke besetzt hielt und uns zu täuschen
versucht hatte. Je ein Zug der 2. und
3. Kompagnie unter den Leutnants Aul-
horn und Wuthenow erhielt daraufhin den
Befehl, die Brücke anzugreifen. Im Dunkel
der Nacht tauchten die Züge unter. Durch
das heftigste feindliche Maschinengewehr-
und Infanteriefeuer hindurch drangen sie vor
und warfen in raschem Anlauf die feindliche
Besatzung, die aus etwa einem JZuge und
auc einem Masehinengewehr bestand, über
die Maas. Das I. Bataillon ging unterdessen um die Kirche
herum, erreichte oberhalb der Eisenbahnbrücke den Bahn-
damm, erstieg diesen und anschließend einen etwa 50 Meter
hohen, mit dickem Brombeergebüsch bewachsenen Steilhang.