Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Ein ganz neues Element war in den Kampf eingetreten, 
der lange und sorgfältig vorbereitete, militärisch geleitete 
und ausgestaltete Ortskampf der Gesamtbevölkerung, eine 
furchtbare Erscheinung dieses an furchtbaren Uberraschungen 
so reichen Völkerringens. Trotz des unzweifelhaft begrün- 
deten Rückzuges des Feindes verteidigten noch Nachhuten 
— wie sich später herausstellte — etwa zwei verstärkte 
Brigaden der französischen 2. Infanteriedivision und Teile 
der §1. französischen Reserve-Division das linke Maas- 
ufer in sehr gut angelegten Stellungen, so daß es den 
Angreifern zunächst nicht gelang, mit entscheidend star- 
ken Truppenkörpern noch vor Abend den Ubergang zu 
erzwingen. 
Auf der ganzen Front erschwerte das Gelände den An- 
griff außerordentlich. Senkrechte Felsemnwände umsäumen 
das rechte Maaöufer, an dem entlang eine einzige Straße 
hinführt. Diese war von feindlicher Seite aus völlig ein- 
zusehen. Das rechte Flußufer war für Brückenmaterial 
und stärkere Truppenabteilungen nur auf den wenigen, 
von Osten herabführenden Straßen zu erreichen. Alle An- 
marschwege wurden von der feindlichen Stellung aus der 
Länge nach bestrichen. Von der im übrigen vorzüglichen 
deutschen Artilleriestellung auf der Osthochfläche waren die 
äußerst geschickt eingebauten Maschinengewehrnester an den 
Uferhängen jenseits der Maas nicht zu fassen, ebensowenig 
die meisten zu zäher Verteidigung eingerichteten Gebäude 
der diesseits des Flusses gelegenen Ortschaften. Die Eigen- 
art des Kampffeldes zwang schließlich zum Vorziehen ein- 
zelner Geschütze bis in die vorderste Kampflinie und zum 
Zusammenschießen ganzer Stadtteile von Dinant durch die 
schwere Artillerie des Feldheeres. Dazu mußte vorüber- 
gehend sogar die bereito bis an das Flußufer vorgedrun- 
gene Infanterie zunächst wieder bis an den Ostrand von 
Dinant zurückgenommen werden. So kam der Abend heran, 
ehe an einen Brückenschlag und an einen Flußübergang 
im großen zu denken war. 
Im einzelnen verlief der Kampf etwa wie folgt: 
XlI. Reservekorps 
Das XII. Reservekorps. Auf den cußersten rech- 
ten Flügel rückte das Xll. Reservekorps mit seiner 23. Re- 
servedivision unter Generalleutnant von Larisch auf Mvoir 
und Hour vor. An letzterem Ort sollte die Dioision hinter 
der 32. Infanteriedivision des XII. Armeekorps die Maas 
überschreiten. Die 24. Reservedivi)ion wurde noch auf dem 
rechten Maasufer zurückgehalten. 
Die Infanteriebrigaden der 23. Reservedivision haben 
sich ohne Zusammenstoß mit dem Gegner bis zum Abend 
bzw. bis zum folgenden Morgen auf das linke Maas= 
ufer vorgearbeitet und dann am 24. August vormittags 
zunächst allerdings fast ohne Artillerie die Verfolgung ener- 
gisch aufgenommen. 
XlI. Armeekorps 
Dessen Infanterie hatte sich bereits in der Nacht zum 
23. Augusi nahe an die Maas herangeschoben. Die gesamte 
Artillerie des Korps eröffnete gleichzeitig am Morgen das 
Feuer. Währenddem arbeiteten sich kampfkräftige Schützen- 
linien an das rechte Flußufer in der ganzen Breite des 
Korpsabschnittes heran. Rechts ging die 32. Infanterie- 
division unter Generalleutnant Edlen von der Planitz gegen 
den Abschnitt Hour#—Leffe vor, dabei auch die Marburger 
11. Jäger, welche seit Abzug der Heereskavallerie der 
32. Infanteriedivision zugeteilt waren. 
Linko anschließend erhielt die 23. Infanteriedioision 
unter Generalleutnant Freiherr von Lindemann die Stadt 
Dinant und deren südlichen Villenvorort Les Rivages als 
Ziel angewiesen. Alle Ubersetzmittel hatte der Gegner recht- 
zeitig entfernt. Sämtliche Brücken waren zerstört, nur 
die Hauptstraßenbrücke in Dinant war zunächst noch un- 
versehrt, aber mit Drahthindernissen gesperrt und durch 
zahlreiche geschickt versteckte Maschinengewehrnester am lin- 
ken Magoufer verteidigt. Sie wurde erst am Nachmittag 
des 23. August von den Franzosen gesprengt, als bei ihnen 
der Fall der ersten Forts von Namur und der Ausgang 
der Sambreschlacht bekannt wurden. 
Der Gegner antwortete am Morgen des 23. August 
auf der Angrifföfront des XII. Armeekorps zunächst nur 
mit schwachem Artilleriefeuer. Seine Hauptkräfte schienen 
in westlicher Richtung abgezogen zu sein, nur die mutmaß- 
lichen Brückenstellen, gegenüber von Houx, Leffe und 
Dinant waren anscheinend noch schwach besetzt. So gab 
denn das Generallkommando des XII. Armeekorps in 
Würdigung der allgemeinen Kriegslage, die auf möglichst 
schnelles Nachstoßen weit über die Maas nach vorwärts 
bindrängte, bereits 10,20 Uhr vormittags den Befehl zur 
Ausführung des Flußübergangs. 
Der Kampf bei Hour 
Nur auf dem äußersten rechten Flügel, bei Houx gelang 
er ohne Schwierigkeit. Die dortige Eisenbahnbrücke war 
vom Gegner in der letzten Nacht gesprengt worden, jedoch 
nur der Bogen am rechten Flußufer. UÜber seine Trüm- 
mer arbeitete sich zuerst das III. Bataillon des Infanterie- 
regiments 177 vor, Mann hinter Mann hinüberkletternd, 
an der Spitze die 10. Kompagnie. 
Der Gegner hatte zwar seine bereits früher erwähnten 
ausgedehnten Stellungen am linken Flußufer gegenüber 
von Houx im Feuer unserer gewaltigen Artillerieentwichklung 
tapfer gehalten. Am Nachmittag gab er aber hier den 
Widerstand auf. Wie die gefangenen Franzosen später an- 
gaben, hatte sich das dortige Bataillon opfern sollen. 109 
Tote und 400 Verwundete gaben Jeugnis von der Zuver- 
lässigkeit dieser braven Truppe. Nur loo Franzosen wur- 
den hier unverwundet gefangen genommen. 
Die vordersten Kompagnien des Infanterieregimento 
177, die 10. und 9. Kompagnie, nahmen mit ganz ge- 
ringen Verlusten die feindliche Stellung und hielten die 
Eisenbahnbrücke nunmehr frei für die folgenden Abteilun- 
gen, zunächst noch das II. Bataillon des Infanterieregi- 
ments 177, dann Teile der 63. Infanteriebrigade, voran 
ihr Kommandeur, Generalmajor von Gersdorff mit einigen 
Kompagnien des Infanterieregiments 103. 
Später rückte hier auch die 45. Reservebrigade der 
23. Reservedivision über die Maas. Für die Pferde aller 
Truppen, für die Artillerie und die Gefechtobagage kam 
aber nur die später bei Leffe bis zum 24. August fertig- 
gestellte Kriegobrücke der 32. Infanteriedivision in Be- 
tracht. 
Der Kampf bei Leffe 
Bei Leffe hatte der linke Flügel der Division von der 
Planitz zunächst schwere Arbeit. Aus allen Häusern dieses 
schmal am Flußrand unter den Felshängen sich hinziehenden 
nördlichen Vororts von Dinant, mit dem es völlig zu- 
sammenhängt, schlug den anrückenden Sachsen heftigstes 
Feuer entgegen. Den festverbauten Häusern mit Schieß= 
löchern in Mauern, Dächern, Schornsteinen und Kellern 
war mit dem Schanzzeug der Truppen nicht beizukommen. 
Aber die braven Pioniere schafften Rat. Doch erforderte 
ihre Arbeit geraume Zeit, da Haus nach Haus einzeln 
in Angriff genommen werden mußte. Währenddem schlug 
von jenseito des Flusses aus gut versteckten Maschinen= 
gewehrnestern und von den feindlichen Schützen in den 
Häusern und binter den Mauern längs des Wesiufers
	        
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