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ergaben und der nach einiger Zeit auf dem Wege von Fala#n
nach Flavion sich nähernden Infanteriespitze des Infanterie-
regiments 103 überantwortet wurden.
Aus dieser Begegnung mit Infanterieregiment 103 und
aus dem Treffen bei Morville gewann das Oberkommando
der dritten Armee die Gewißheit, daß die durch den Ar-
meebefehl Nr. 3 neuerdings angeordnete Veränderung der
Marschrichtung von der Truppenführung bereits aufgenom-
men worden war. Erst bei einer abermaligen Berührung
von Anthée am einbrechenden Abend fand das Oberkom=
mando der dritten Armee dort die Vorhut der 23. Infan-
teriedivision, ein Beweis, welch lange Zeit das Übersetzen
und Uberbrücken bei Les Rivages gefordert hatte. Ein Ab-
stecher nach Serville führte zu einer Begegnung mit dem
Generalkommando des XII. Armeekorps und der 23. In-
fanteriedivision und weckte die Uberzeugung, daß nun das
XII. Armeekorps seinem Bewegungzsziele sich näherte.
Es erreichten am Abend des 24. August
Armeeoberkommando 3 Gerin,
XII. Reservekorps Florennes — ausschließlich 24. Re-
servedivision, die erst Mitternacht 24.—25. August die
freigewordene Brücke bei Leffe überschreiten und nach Som-
mieres rücken konnte,
XII. Armeekorps — nach leichtem Gefecht bei Rosée —
die Waldstücke südwestlich dieses Ortes (anstatt Franchi-
mont),
XIX. Armeekorps (ausschließlich Division Götz von Olen-
husen) Romedenne.
Vom Oberkommando der zweiten Armee ging die 11,30
Uhr nachts aufgegebene Mitteilung beim Oberkommando
der dritten Armee ein, daß die zweite Armee nach sieg-
reichem Kampfe bis Beaumont—Florennes gekommen war,
und am 25. August den weiteren Vormarsch in mehr süd-
westlicher Richtung antreten werde.
Solches Vorrücken der zweiten Armee bewies dem Ober-
kommando der dritten Armee, wie richtig von ihm gehan-
delt worden war, unverzüglich nach der Fliegererkennung
des allgemeinen feindlichen Rückzugs die in der Nacht
vom 23. zum 24. August von der zweiten Armee dringend
erbetene Ost—West-Marschrichtung 9,45 Uhr früh auf-
zugeben. Wäre dies nicht geschehen, so hätten die Bewegun-
gen der sich berührenden Flügel der zweiten und dritten Ar-
mee durch Vor= und Ineinanderschieben zu störenden Rei-
bungen Anlaß gegeben und noch weiteren Zeitverlust verur-
sacht.
Im Oberkommando der dritten Armee zu Gérin wurde
bekannt, daß am 23. und 24. August der dritten Armee
gegenüber gefochten hatten die französischen Infanterieregi-
menter 33, 37, 41, 43, 73, 148, 208, 233, 243, 247,
273, 275 — also etwa 12 Regimenter, annähernd soviel
Bataillone, wie 1870 den Deutschen bei Spichern ent-
gegengetreten waren (Seite 30). Fünf französische Ge-
schütze waren erbeutet, überdies der größte Teil der 4. bel-
gischen Division gefangen worden, wie später noch ausführ-
licher berichtet werden soll.
Beim Rückblick auf den Gesamtverlauf der mit den
Kämpfen bei Dinant abschließenden Operationen drängt
sich die Erwägung auf, daß zwar die von der Obersten
Heeresleitung aus dem westwärto gerichteten Vormarsch
der ersten, zweiten, dritten und vierten Armee entwickelte
Südschwenkung den erwünschten Verlauf genommen, viel-
leicht auch den erhofften Erfolg gezeitigt hat, daß aber
die Unterstellung dieser Armeen unter einheitliche Führung
voraussichtlich noch mehr Gewinn gebracht haben wirde.
Sicherlich hätte dies zu einer größeren operativen Uber-
einstimmung unter diesen Armeen geführt und den süd-
westwärts gerichteten Vorstoß der dritten Armee über die
obere Maas bei Givet vorüber nicht gehemmt, einen solchen
vielmehr derart gefördert, daß eine Trennung der an der
Sambre und der östlich von Charleville operierenden fran-
zösischen Heeresgruppen erkämpft worden wäre, nicht aber
bloß ein taktischer Erfolg, der den an der Sambre und
westlich Namur—Givet fechtenden Kräften des Gegners
gestattete, wenn auch geschwächt, so doch nach eigener Wahl
sich in südlicher Richtung der Waffenentscheidung zu ent-
ziehen.
Die Tage nach der Schlacht bei den einzelnen
Armeekorps
Der Feind
Frisches Zugreifen im Gefühl der unbedingten Uber-
legenheit des deutschen Soldaten auf der einen Seite,
tiefe Entmutigung angesichts des unheimlich schnellen Schick-
sals des zweiten Maasbollwerks Namur und des ver-
zweifelten Ausganges der Feldschlachten an der Gette, der
Sambre und der Maas, das waren die Wahrzeichen der
auf die Schlachttage folgenden Verfolgungstage.
Leider bildet dazu der Wahnsinn des selbstmörderischen
Volkekrieges die unerwünschte Ergänzung. Der Widerstand
der belgischen Gesamtbevölkerung, die sich für die Ver-
bündeten, welche Belgien so kläglich im Stich gelassen
hatten, sinnlos hinopferte, brachte zweifellos die dritte
Armee um die noch viel größeren Erfolge, welche ihr
westlich der Maas, im Rücken und in der Flanke der von
der Sambre zurückflutenden französischen fünften Armee
winkten.
Die Franzosen bewiesen bei ihrem Rückzug von der
Sambre und durch ihr rechtzeitiges Aufgeben des Wider-
standes an der Maasfront vor der dritten Armee ein seltenes
Geschick in der Durchführung des Kleinkrieges. Über-
raschend schnell stellten sie den geordneten Widerstand bleiner
Nachhuten und das Zusammenwirken mit der Bevölkerung
her. Das Gelände bot sich ihnen dazu als wirksamen
Bundeösagenossen an. Westlich der Maas dehnt sich entlang
der Grenze bis Philippeville und Mariembourg die Land-
schaft Fagne aus, die ich als menschenarmes Bergland mit
dichten Waldungen und einem Gewirr von Eng= und
Steilwegen bereits früher gekennzeichnet habe. Sie erwies
sich wie geschaffen zum Heckenkrieg.
Bei den einzelnen Korps war der Verlauf des 24. und
25. August kurz der folgende:
Das XlII. Reservekorps
Auf dem äußersten rechten Flügel der dritten Armee
strebten die beiden Infanteriebrigaden und das Reserve-
husarenregiment der 23. Reservedivision von Dvoir und
Hour aus westwärts, dem Kanonendonner bei Mettet ent-
gegen. Dort wußte man den linken Flügel der benachbarten
zweiten Armee in siegreich fortschreitendem Kampf. Dort
galt es, in kameradschaftlichem Zusammenwirken die Früchte
des Sieges ernten zu helfen. Zwar mußte man auf die
Mitarbeit der Artillerie verzichten. Die zuerst geschlagene,
nächstgelegene Brücke von Leffe war zunächst drei= bzw.
vierbordig hergestellt worden, war demgemäß nur für
Infanterie in Reihen= bzw. in Marschkolonne tragfähig.
Mit Mühe und Zeitverlust wurden einzelne Geschütze bei
Bvoir übergesetzt. Aber die Masse der Artillerie des
XII. Reservekorps konnte erst nach Verstärkung der Brücke
von Leffe hinter der 32. Infanteriedivision nachgezogen
werden. Trotzdem kamen alle übrigen Truppenteile der
23. Reservedivision am 24. August unaufhaltsam vorwärts.
Auf dem rechten Flügel ging die 46. Reservebrigade unter
Generalleutnant Hempel durch das zerklüftete Bergland
schnell auf Sosoye und die 45. Reservebrigade unter Gene-
ralleutnant von Suckow links anschließend auf Falaên
vor. Uberall wurden kleinere feindliche Abteilungen, die