Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Kampfhandlung von 4 sächsischen Infanteriedivisionen ver- 
dient als solche eine ganz besondere Würdigung, liefert sie 
doch den besten Beweis der vollendeten Friedensvorbereitung 
unserer Führer und Truppen aller Waffen, mit der die 
deutsche Armee in den Weltkrieg eingetreten ist. Der Welt- 
krieg hat inzwischen mit dem Masseneinsatz von Großflugzeu- 
gen, Panzerwagen und Riesengeschützen, mit giftigen Gasen, 
künstlichem Nebel, Flammenwerfern und ähnlichem Teufelo- 
werkzeug die alte Art der Kriegführung zu Grabe getragen. 
Die Leistungen der Einzeltruppenteile auf den ins Un- 
gemessene gewachsenen Schlachtfeldern der letzten Kriegs- 
jahre des Weltkriegs entziehen sich bis herab zur Division 
fast völlig der Einzeldarstellung und demgemäß der Ver- 
wertung, um daraus Erfahrungen für die Truppenauêbil= 
dung abzuleiten. 
Gerade dafür behalten die übersichtlichen Ersischlachten 
große Bedeutung auch in Zukunft. Wir haben vor dem 
Weltkrieg in langen Friedensjahren an den Erstkämpfen 
von Saarbrücken 1870 unsere jungen Unterführer gebildet 
und mit dem Geiste der Selbsttätigkeit und mit dem Drange, 
Ubermögliches zu leisten, erfüllt. Das Kampffeld an der 
Maat bildet fortab eine solche Quelle der Belehrung. Die 
vorbereitende Tätigkeit der Heereskavallerie mit ihrem 
schneidigen, verständnisvoll ineinandergreifenden Aufklä= 
rungswerk, dann die ergänzende Gefechtsaufklärung aller 
Waffen, die Bereitstellung der Armee für den Kampf um 
die Flußlinie, die Durchführung der Schlacht, die Ver- 
wendung der Einzelwaffen, die Technik des Flußüberganges 
und die Anordnung und Durchführung der Verfolgung 
geben genau das Bild wieder, wie es den maßgebenden 
Anschauungen und den gültigen Dienstvorschriften bei 
Kriegsausbruch entsprach. Die deutsche Friedensausbildung 
hat zu vollem Erfolg geführt. Nichts von dem, was im 
Frieden gelehrt und geübt war, mußte im wirklichen Kampfe 
abgestreift werden. Die Truppe trat im sirengsten Sinne 
des Begriffs durchaus vorbereitet in den Krieg. 
Nur der Volkskrieg, der Ortskampf mit der ganzen 
Bevölkerung belgischer Gemeinden war der Truppe neu 
und fremd. Er lag besonders schlecht dem tapferen Drauf- 
gängertum der Sachsen, das sich mit einer fast zu schnellen 
Vertrauensseligkeit gegenüber dem nur anscheinend un- 
gefährlich gewordenen Feind oder feindländischen Volk 
paarte. Nur zu viel Opfer fielen in den ersten Tagen 
der eignen Gutgläubigkeit und Milde. Erst der erbarmungs- 
lose Ortskampf mit der in unseliger Verblendung sich sinn- 
und zwecklos aufopfernden Bevölkerung führte zur not- 
wendig gewordenen vollen Strenge. Aber kostbare Stunden 
gingen durch den Tag und Nacht sich hinschleppenden 
Kampf mit der Bevölkerung im Maastale der Führung 
verloren. Handgranaten heutiger Wirkungsstärke würden ihn 
auf Stunden, ja Teile von Stunden verkürzt, die eigenen 
Opfer beträchtlich verringert haben. 
Das entschlossene Vorgehen der Sachsen gegen die Be- 
völkerung des Maastales hat übrigens seine Wirkung auf 
die übrige schwierige Bevölkerung Belgiens nicht verfehlt. 
Das spürten wir schon im Herbst 1914 bei dem Vorgehen 
zur ersten Dpernschlacht. Selbst in deren bedenklichsten 
Tagen wagte die aufsässige Bevölkerung an der Lys und 
an der Schelde doch keine Nachahmung des Volkskampfes 
an der Maas. — 
Wie ein besonders schwerer Kampftag im Kaisermanöver 
etwa im mitteldeutschen Bergland war der erste Schlachttag 
der Sachsenarmee verlaufen. Selbst dem jüngsten Soldaten 
hatte er das Bewußtsein der unbedingten Uberlegenheit 
der eigenen Ausbildung erweckt, das stolze Gefühl, daß 
nichts ihm unmöglich sei. Wenn er zurückblickte auf die 
Felshänge, die er zur Maas im tollsten Feuer des Gegners 
hinuntergeklettert war, und auf den breiten Spiegel des 
Flusses, den er überwunden hatte, da überkam wohl jeden 
ein Ahnen der geheimnisvollen Riesenmacht, die das deutsche 
Volk in Waffen, das vor drei Wochen jäh aus dem Frieden 
emporgeschreckt worden war, darstellt. Dann erfüllte ihn 
wohl ganz das heiße Gelübde, an mir soll es auch weiter 
nicht sehlen. Das alte Soldatenwort von der Feuertaufe 
war kein leerer Wahn mehr. Man hatte es an sich selbst 
erprobt. Stolz sah der Führer auf seine Untergebenen, 
die weit mehr geleistet hatten, als man bisher für menschen- 
möglich gehalten hatte. Dankbar blickte der Mann in 
der Front auf seine Führer, die sich glänzend bewährt hatten. 
Man gedachte mit Wehmut und Bewunderung der Tapferen, 
die mit ihrem Blut den ersten Sieg erkämpft hatten. Was 
Saarbrücken, Weißenburg und Wörth 1870 gewesen, was 
den Nachbararmeen die Erstschlachten an der Sambre und 
am Semois am gleichen Augusttage 1914 waren, Werkungs- 
proben eigener Kampftüchtigkeit, das war der Sachsenarmee 
die Maasschlacht bei Dinant. 
Von der Maas bis über die Marne 
Der geglückte Abzug der französischen fünften Armee von 
den Schlachtfeldern an der Sambre und an der Maas, 
dao siegreiche Vordringen und die erfolgreiche Südschwen- 
kung der Nachbararmeen, die Abzweigung der 24. Reserve- 
division gegen Givet und der Abtransport des Xl. Armee- 
korps nach dem Osten, wozu der Befehl der Obersten 
Heeresleitung am 26. August 3 Uhr früh beim Ober- 
kommando der dritten Armee eintraf, schufen für die zu- 
nächst um drei Achtel ihrer Stärke verminderte dritte Armee 
am 26. August eine völlig neue Lage, welche durch das Fehlen 
eigener Aufklärungskavalleriekörper noch erschwert wurde. 
Die Anfänge der dritten Armee überschritten in unge- 
stümem Drang nach vorwärts am 26. August die ver- 
langte Linie Regniowez —Nocroi — es Mazures. 
Das Oberkommando verblieb in Merlemont, acht Kilometer 
östlich von Philippeville, und ging am 27. August nach Rocroi. 
Die dritte Armee setzte zunächst die Verfolgung nach 
Süden mit aller Kraft fort. Ihre Armeekorps drängten 
am 27. August feindliche Nachhuten über den Sormonne- 
abschnitt zurück, überschritten ihn mit ihren Vortruppen 
und schlossen mit ihrem Gros bis zur Sormonne auf. 
Inzwischen war die vierte Armee um Raume von Sedan 
seit 25. August in neue schwere Kämpfe verwickelt worden. 
Die französische vierte Armee hatte sich von ihrer Nieder= 
lage im Semoisbecken verhältnismäßig rasch erholt und 
setzte in den vorzüglichen Höhensiellungen links der Maas 
beiderseits von Sedan vom 25. August ab der deutschen 
vierten Armee wiederum ernstesten Widerstand entgegen. 
Die deutsche vierte Armee bat die dritte Armee am 27. Au- 
gust um Hilfe. Die dritte Armee erklärte sich dazu bereit 
und nahm für den 28. Augusl das Vorgehen in Richtung 
Le Chesne—Chemery — also nach Südosten — in Aus- 
sicht. Sie meldete ihren Entschluß der Obersten Heeres- 
leitung. Mit dieser Meldung kreuzte sich der Funkspruch 
der Obersten Heereoleitung (an 7,15 Uhr abends), daß 
am 28. August Weisungen für die weiteren Operationen zu 
erwarten seien. 
10,0 Uhr abends traf beim Oberkommando der dritten 
Armee ein Ordonnanzofsizier des Oberkommandos der vier- 
ten Armee mit der erneuten Bitte um Hilfe ein, da das 
VIII. Armeckorpo südlich Sedan infolge des schweren fran- 
zösischen Artilleriefeuers nicht vorwärts komme. Fast gleich- 
zeitig — 10,35 Uhr abends — kam aber auch der Befehl 
der Obersten Heeresleitung, der vorschrieb, den Vormarsch
	        
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