Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

1. Der- Verlauf des Krieges 7 
die nahe, mit Dünkirchen beginnende Reihe französischer Häfen, unterstützt 
durch das von vielen Kanälen durchschnittene vielfach überschwemmte Ge- 
lände, dem Vordringen der Deutschen entgegen, die sich durch Abgaben zur 
verteidigung der flandrischen Küste gegen englische Angriffe zur See und 
Landungsversuche schwächen mußten. Bald bildete sich im Userkanal eine 
Grenze mit den hart umstrittenen Hunkten Mieuport, Dixmupden und 
Dpern. Sstlich um Upern herum wurde der Anschluß an LCille erreicht, das 
seinerzeit von den Franzosen geräumt, von den Deutschen in neuzeitlicher 
Weise verteidigungsfähig gemacht wurde. 
Die in Flandern und Frankreich bis Ende Oktober lolg geschaffene 
Lage besteht im wesentlichen trotz wiederholter Versuche, eine Entscheidung 
herbeizuführen, noch fort. 
C. Das Eindringen der Russen in Ostpreußen und die 
Befreiung der Hrovinz. 
Die der schwachen Streitmacht in Ostpreußen (4 Armeekorps, 1 Kaval- 
leriedivision, Landwehr und Landsturm) gestellte Aufgabe war um so schwie- 
riger, als ein zusammenhängendes Grenzbefestigungssvstem fehlte. Die Kette 
der masurischen Seen bildeten beinen völligen Ersatz, obwohl man sich beeilte, 
wenigstens flüchtige Befestigungen herzustellen. Der Schutz der Hrovinz 
Dosen blieb Zesatzungstruppen überlassen, in Schlesien befand sich ein Land- 
wehrkorps. Die ersten Angriffe russischer Kavallerie und Grenzwache wurden 
glänzend abgeschlagen, und die vorhandenen Kräfte hätten auch noch geraume 
Seit zur Derteidigung Ostpreußens ausgereicht, wenn die Russen nicht lange 
Seit vor der Kriegserklärung heimlich ihre Mobilmachung begonnen hätten 
und infolgedessen früher fertig gewesen wären, als man annehmen durfte. 
Trotzdem wurde der in der zweiten Zälfte des August in weit überlegener 
Stärke gegen Insterburg vorrückenden Ajemen= oder Wilna-Armee des Ge- 
nerals v. Rennenkampf anfangs erfolgreicher Widerstand geleistet, der erst 
aufgegeben wurde, als das Eindringen der 7karew-Armee von Süden her 
die Lage unhaltbar machte. Der Entschluß zum Rückzuge hinter die stark 
befestigte Linie der Mogat und Weichsel war rein theoretisch-militärisch 
gewiß richtig; im eignen TLande aber kann man nicht ohne schwerste auch 
auf die Kriegführung zurückwirkende Schädigung eine ganze ODrovinz 
preisgeben, am wenigsten gegenüber einem barbarischen Feinde. Der 
oberste Leiter des Heeres, des Kaisers Majestät, fand den richtigen Ausweg. 
Generaloberst v. Hindenburg (später Generalfeldmarschall) wurde 
der Oberbefehl übertragen, und im Westen wurden trotz der erhöhten An- 
forderungen der dortigen Lage Truppen für den Osten verfügbar gemacht. 
Eine so großartige Truppenverschiebung mit der Eisenbahn während der 
Heeresbewegungen war bisher unerhört, sowohl was die Menge der Truppen 
als die Entfernung betrifft — 1870/21 hatte nur eine einzige deutsche Division 
innerhalb Frankreichs mit der Bahn den Kriegsschauplatz gewechselt. Auch 
dies war ein Beleg für das wunderbare Susammenarbeiten des General-
	        
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